Die Rückkehr
Anton Mormann (1826–1907), ein Bildhauer der Wiedenbrücker Schule, schuf diese Station. Foto: Ansgar Hoffmann
Kreuzwegstationen aus dem Erzbistum werden in der Fastenzeit an dieser Stelle vorgestellt. Die letzte Folge in der Reihe zeigt die 13. Station des Kreuzweges aus dem Kreuzgang des Domes zu Paderborn.
von Claudia Auffenberg
Es ist die 13., die vorletzte Station: Jesus wird in den Schoß seiner Mutter gelegt. Die Pieta, die Ikone des Leides schlechthin. Es gibt erschütternde Darstellungen davon, denn diese Situation ist an Dramatik kaum zu überbieten. Seit Menschen Kriege führen, halten immer wieder Mütter ihre toten Söhne im Arm. In der Tagesschau sieht man manchmal solche Szenen aus den Krisengebieten dieser Welt: Mütter, die ihre Verzweiflung in Fernsehkameras schreien oder ohnmächtig zusammensinken. Furchtbar!
Doch diese Station strahlt solche Empfindungen nicht aus. Vielmehr herrscht eine geradezu meditative Ruhe. Maria blickt auf Jesus hinab. Sie hat ihre Hände locker um seinen Kopf gelegt, vielleicht betet sie? Die Position der beiden erinnert – man traut sich kaum, das zu sagen – eher an ein Liebespaar im Urlaub. Ihr Gewand ist in dezentem Grün gehalten, so wie der Baum hinter ihr. Was ist das für ein Baum? Artischocken? Sie wachsen nicht auf Bäumen, aber sie haben ein Herz.
Die andere Person ist wahrscheinlich Johannes, den man auch den Lieblingsjünger nennt. Er hält vorsichtig den Arm Jesu, so als versuche er, einen Schlafenden nicht zu wecken. Und Jesus? Makellos liegt er da. Am Fuß eine kleine Wunde und an der Hand, sonst ein reiner, sauberer Leib.
Die Szene ist nicht biblisch, aber in der Bibel gibt es eine Szene, die man sich so vorstellen könnte: die Erweckung eines jungen Mannes im galiläischen Dörfchen Nain. Die trauernde Mutter, der tote Sohn, Jesus erweckt den jungen Mann und gibt ihn seiner Mutter zurück, so erzählt es Lukas. Die Geschichte spielt am Stadttor, dort begegnen sich der Trauerzug und Jesus mit seinem Gefolge. Am Tor wird der Tote wieder lebendig. Er wird nicht hinausgetragen zum Friedhof, sondern wieder hineingenommen in die Dorfgemeinschaft. Und seine Mutter ebenso.
Die Kreuzwegstation zeigt auch ein Tor, die Graböffnung. Darin steht der Sarkophag. Eigentlich gibt es für solch ein Tor nur eine Richtung: hinein, aber nicht hinaus. An den Steinen rechts erkennt man eine Efeuranke. Eine immergrüne Kletterpflanze, die Halt braucht und deshalb für Treue, für Freundschaft, für Unsterblichkeit steht.
Jesus wird in den Schoß seiner Mutter gelegt. Er kehrt dorthin zurück, wo sein Leben den Anfang nahm. Ob auch diese Station also in Wahrheit gar nicht das Ende, sondern einen Anfang zeigt?