Die verwechselten Zwillinge – Von Marokko nach Hövelhof

Wer ist wer? Die Hövelhofer Pflegeazubis Safae (rechts) und Marwa. (Foto: Flüter)

An den unterschiedlichen Brillen kann man sie erkennen. Sonst ist es schwierig, die Zwillinge Marwa und Safae voneinander zu trennen. Doch die Bewohner im Altenzentrum Hövelhof können die ­Schwestern mittlerweile auseinanderhalten. Beide kamen für die Pflegeausbildung aus Marokko nach Hövelhof.

Hövelhof. „Die beiden haben etwas Positives in unser Haus mitgebracht“, sagt Hausleiterin Anna Dusch, „eine optimistische Grundhaltung, die wir bei den vielen Problemen, die die Pflege seit Langem hat, gut gebrauchen können.“ Tatsächlich verbreiten Marwa und Safae, überall wo sie sind, gute Stimmung. Sie sind immer freundlich, nie gestresst, immer aufmerksam, weil sie sich an ihrem Arbeitsplatz und ihrem neuen Wohnort sehr wohlfühlen.

Der Start in Deutschland war jedoch alles andere als leicht. Die Geschäftsleitung Monika Stricker und Anna Dusch bemühen sich seit Jahren um Fachkräfte und Auszubildende aus dem außereuropäischen Ausland. Irgendwann nahmen sie Kontakt mit Marwa auf. Schon bald brachte Marwa ihre Schwester Safae ins Gespräch. Beide hatten in ihrer Heimat Marokko bereits in der Pflege gearbeitet und wollten sich jetzt in Europa ausbilden lassen.

Gleiches Bild und ähnlicher Name

Daraus wurde eine lange Geschichte, weil die Bundesrepublik Deutschland vor die Aufnahme von Arbeitskräften außerhalb der EU hohe bürokratische Hürden aufgebaut hat. Die Botschaft in Marokko, das Außenministerium in Berlin, die Bezirksregierung und viele Institutionen mehr müssen einbezogen werden. Das liegt an der großen Ähnlichkeit von Marwa und Safae. Safae hatte zuerst ihren Sprachkurs beendet und reiste vier Wochen früher ein. Als der Antrag für Marwa in Berlin eintraf, glaubte der zuständige Beamte, das sei Safae: gleiches Bild und ähnlicher Name. Er legte den Antrag ins Archiv.

Erst als das Altenzentrum in Hövelhof nachfragte, fiel die Verwechslung auf. Doch da war es zu spät. Marwa traf erst mehr als vier Wochen nach Beginn des neuen Ausbildungsjahres in Hövelhof ein – nach dieser Frist kann die Ausbildung eigentlich nicht mehr aufgenommen werden. Ein dringendes Ersuchen von Anna Dusch machte die eigentlich unmögliche Zusage der Bezirksregierung doch noch möglich.

Diese Aufregungen sind längst vergessen. Die Zwillinge lieben ihre Arbeit und sie lieben Hövelhof. Dort haben sie mit der Unterstützung des Alten­zentrums eine gemeinsame Wohnung gefunden. „Mit der Bahn können wir gut nach Paderborn und nach Bielefeld fahren“, sagt Marwa. Auf Libori waren sie gleich mehrfach. Bald haben sie mehrere Tage am Stück frei, dann besuchen sie Düsseldorf oder vielleicht sogar Brüssel, wo ihre Schwester studiert.

In ihrer Heimat Marokko sind die Bedingungen für Pflege viel schlechter. Dagegen sind die Umstände, unter denen sie jetzt arbeiten, geradezu ideal. „Hier wohnen die Bewohner in eigenen Räumen“, staunt Safae immer noch. „Es gibt viele Hilfsmittel, die die Pflege leichter machen, und die alten Menschen haben grundsätzlich die Wahl, was sie wollen.“ In der Praxisanleiterin Franziska Rei­the haben die Zwillinge eine feste Ansprechpartnerin. Die Verständigung auf Deutsch funktioniert, weil Marwa und Safae schon in Marokko Sprachkurse besucht haben.

„Ohnehin ist das Leben in Marokko härter“

Der öffentliche Nahverkehr in Deutschland ist besser als in der marokkanischen Millionenstadt Fes, in der sie aufgewachsen sind. Ohnehin ist das Leben in Marokko härter, erzählen die beiden. Altenheime gibt es dort auch, aber die Pflege und Betreuung ist nicht mit Deutschland vergleichbar. Safae kann sich vorstellen, dass sie die deutschen Standards irgendwann nach Marokko transferiert und dort ein Altenheim eröffnet.

Bis dahin ist es jedoch noch lange hin. Allein die Ausbildung dauert drei Jahre. Das ­Alten­zentrum in Hövelhof sucht in der Zwischenzeit bereits neue Mitarbeitende aus dem Ausland. Fünf sind es zurzeit, sieben sollen es im nächsten Jahr sein.

Monika Stricker, die Leitung des Altenzentrums Hövelhof, und Heimleitung Anna Dusch sind mittlerweile Fachfrauen für diesen komplizierten Prozess der Einstellung von Menschen aus dem Ausland. „Das läuft ­wirklich gut“, sagt Anna Dusch, „weil wir uns mittlerweile auskennen.“ Monika Stricker und sie hätten schon überlegt, ob sie nicht eine Agentur für die Vermittlung von Auslandskräften eröffnen ­sollten, erzählt sie zum Spaß.

Doch dafür bleibt neben der Arbeit im Altenheim keine Zeit. Solange Verwaltungen weiter Fehler produzieren wie der in Berlin, als die Zwillinge verwechselt wurden, wäre diese ­Dienstleistung aber mehr als sinnvoll.

Karl-Martin Flüter

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