„Du wirst staunen! – Zum 100. Geburtstag von Josef Rikus
Festakt zur Ausstellungseröffnung zum 100. Geburtstag von Josef Rikus unter dem Titel „Du wirst staunen“ (Foto: Besim Mazhiqi)
Er arbeite viel, schrieb der junge Josef Rikus einst an seine große Liebe Anneliese Semmer, damit das Werk fertig werde, wenn sie komme: „Du wirst staunen!“ Dieses Wort ist jetzt der Titel einer Doppelausstellung von Diözesanmuseum und Paderborner Stadtmuseum zum 100. Geburtstag des Künstlers.
Erzbistum. „Du wirst staunen!“ Das kann auch heute ausrufen, wer sich mit dem Werk Rikus’ befasst. Allein die Menge an Werken, die er geschaffen hat, ist erstaunlich. Hier nur mal eine kleine Auswahl: die Bischofsfigur vor der Kommende in Dortmund, der Brunnen im Innenhof in Hardehausen, die Pieta in Elkeringhausen, das Mahnmal auf dem Stukenbrocker Ehrenfriedhof, das Franz-Stock-Denkmal in Arnsberg-Neheim oder der Neptunbrunnen vor dem Paderborner Dom. Das Werksverzeichnis umfasst 618 Nummern, darunter rund 30 Chorraumausstattungen von Kirchen, zu der jeweils mehrere Arbeiten gehören.
Es waren wohl die Kriegserlebnisse und sein christlicher Glaube, die Arbeit und Werk des Künstlers geprägt haben. Rikus wurde 1923 in Paderborn geboren, gleich nach dem Abitur 1942 wurde er eingezogen und zwei Jahr später schwer verletzt ausgemustert. Zeitlebens bereitete ihm ein Splitter im Rücken Schmerzen, was er nicht nur mit Kunst, sondern auch mit Kettenrauchen zu kompensieren suchte. Rikus starb 1989 mit nur 66 Jahren an Lungenkrebs. Ein kurzes Leben, das doch so viel Kunst hervorgebracht hat.
Gestalter des öffentlichen Raums
Rikus’ Werke finden sich in Kirchen, auf Friedhöfen und Kriegsgräberstätten. Er schuf Altäre, gestaltete Hausfassaden und immer wieder Brunnen. 2Er ist einer der großen Gestalter des öffentlichen Raums speziell der 1960er und 70er Jahre“, schreibt der Kunsthistoriker Dr. Oliver Gradel im Katalog zum Ausstellungsteil des Paderborner Stadtmuseums.
Schon als Schüler beteiligte sich Rikus an ersten Ausstellungen. Sein Kunstlehrer Rudolf Hotes hatte die Begabung des jungen Josef erkannt und förderte ihn. Nach dem Krieg stand für Rikus fest, dass er Bildhauer werden wollte. Er wurde Meisterschüler des Münchner Künstlers Karl Knappe. Von ihm lernte er, ohne Skizze zu arbeiten und sich ganz vom Material führen zu lassen. Erst später, als er sich dem Material Stein zuwandte und seine Werke monumental wurden, fertigte er vorab Modelle seiner Arbeiten an.
Anfangs aber ging er direkt ins Material: „Ich grabe und grabe im Holz, bis das Bild aufleuchtet“, schrieb er einmal. Die Arbeit war für ihn Freude und extreme Belastung zugleich. In Briefen an Anneliese Semmer, seine spätere Frau, berichtet er von Erschöpfung und dass er sich „wie zerstört“ fühle. Die beiden wurden ein kongeniales Paar. Anneliese dokumentierte als gelernte Fotografin seine Arbeit und führte später das Büro. Denn Rikus war auch ein Unternehmer oder besser, er musste es sein. Er verhandelte mit Auftraggebern, mit Architekten, Behörden und Landschaftsplanern. Auch der Aufbau seiner Arbeiten erforderte bisweilen eine enorme Logistik. Der Brunnen im Innenhof von Hardehausen etwa wurde mit einem Hubschrauber der britischen Armee dorthin gebracht.
Manchmal schroff und nicht unbedingt dekorativ
Die Arbeiten im öffentlichen Raum sind wuchtig, manchmal schroff und nicht unbedingt dekorativ. Oft irritierend, doch immer kraftvoll. Man merkt: Rikus ist als junger Mann in einer verstörenden Zeit geprägt worden. Die Bilder seiner zerstörten Heimatstadt und der Trümmer, durch die er nach dem Krieg gelaufen ist, müssen sich ihm eingebrannt haben. Sie finden sich oft in seinen Werken wieder, in Gestalt von gestapelten, übereinander gelagerten oder waghalsig einander zugeordneten Betonplatten.
Und so ist es eine gewisse Tragik, dass im Moment die Zeit mancherorts über seine Werke hinweggeht und sie abmontiert oder gar unwiederbringlich abgerissen werden, dass nun also seine Werke zerstört werden. Das Rathaus in Neheim etwa: Dort hatte Rikus 1966 im Eingangsbereich über der Tür zum Ratssaal eine Betonplastik geschaffen, die zwei zusammenwachsende Bäume zeigt. Sie stehen symbolisch für die beiden Stadtteile Neheim und Hüsten. Im vergangenen Jahr wurde das alte Rathaus abgerissen, damit ging auch das Werk unwiederbringlich verloren.
Und ausgerechnet wenige Tage vor Beginn der Ausstellung wurde in Paderborn eines seiner markanten und stadtbildprägenden Werke abgebaut und zunächst eingelagert: das Kreuz am Gierstor in der Innenstadt. Nachdem im Frühjahr 2022 ein Tornado durch die Stadt gezogen war, wurde das Kreuz geprüft. Dabei wurden Schäden festgestellt, das Kreuz war nicht mehr standsicher. Die Arbeiten zogen sich dennoch hin und noch immer ist nicht klar, ob und wann das Kreuz wieder aufgestellt wird und vor allem: wer das bezahlen soll. Bürgermeister Michael Dreier versprach bei der Ausstellungseröffnung, er sei sicher, dass der Rat der Stadt im kommenden Jahr die notwendigen Mittel bereitstellen werde. Rund 100.000 Euro soll die Sanierung kosten.
Christliche Kunst bildet einen Schwerpunkt im Schaffen
Christliche Kunst bildet einen Schwerpunkt im Schaffen des Künstlers. Für 30 Kirchen hat er die Chorräume entworfen und einmal sogar hat er ein Kirchengebäude als Ganzes komponiert: die Kirche der Hochschulgemeinde in Köln. Von dieser Kirche sind in der Ausstellung im Diözesanmuseum erstmals Modelle zu sehen, die erst während der Vorbereitungen aufgetaucht sind.
„Seine Chorraumgestaltungen gehören zweifellos zu den prominenten Schöpfungen im Bereich der angewandten Kunst im Erzbistum Paderborn in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts“, schreibt Christoph Stiegemann im Werksverzeichnis, das zur Ausstellung erschienen ist. Stiegemann war lange Jahre Direktor des Diözesanmuseums, das heute einen großen Teil des künstlerischen Nachlasses besitzt. In seinen ersten Jahren in Paderborn plagte sich Rikus – wie auch andere junge Künstler und Architekten – mit Prof. Alois Fuchs. Er war Domkapitular und der maßgebliche Kunstsachverständige im Erzbistum. Fuchs hatte eine klare Vorstellung davon, wie eine Kirche auszusehen habe: nämlich klar orientiert am Bautyp der alten römischen Basilika. Seine Vorgaben wurden geradezu verbindlich und ließen wenig Raum. Dennoch entwarf Rikus auch für einige der sogenannten „Fuchsbauten“ Altarräume. Doch erst das Konzil gab Künstlern und Architekten ganz neue Möglichkeiten.
Rikus konnte auch klein
Eine weitere Erkenntnis der Ausstellung: Rikus konnte auch klein, manchmal sogar zärtlich. Oft sind die Kleinplastiken Modell für die große Arbeiten, aber nicht immer. Im Diözesanmuseum ist ein Messkelch zu sehen, der einzige, den er geschaffen hat, für den damaligen Neupriester Udo Tielking aus Herford. Tielking war Dechant in Herford und lebt heute als Ruheständler dort. Der Kelch ist ein Rikus im Miniaturformat: ein Baummotiv, abstrakte Menschenfiguren und eine optische Leichtigkeit. Die Betonung liegt auf optisch. Denn leicht ist der Kelch nicht gerade, das Zelebrieren damit eine Herausforderung. „Aber ich gehe ja regelmäßig ins Fitnessstudio“ witzelte Tielking bei der Ausstellungseröffnung. Soll heißen: Der Kelch ist nach wie vor im Gebrauch. Da möchte man Josef Rikus im Himmel zurufen: Du kannst dich freuen!
Info
Die Ausstellung im Diözesanmuseum und im Paderborner Stadtmuseum läuft bis zum 11. Juni. Das Stadtmuseum porträtiert den Menschen Rikus und zeigt vor allem profane Werke im öffentlichen Raum, das Diözesanmuseum widmet sich seiner sakralen Kunst und den Chorraumgestaltungen. Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Begleitprogramm. Zwei Beispiele: Am kommenden Mittwoch, 9. März, geht es um 19 Uhr in einer Podiumsdiskussion um Kunst im öffentlichen Raum. Vom 13. bis 15 April gibt es Bildhauerworkshops für Kinder und Erwachsene.
Zudem sind zwei Publikationen erschienen
- Hans-Ulrich Hillermann: Der Bildhauer Josef Rikus. Sein Lebenswerk. Imhof-Verlag 2023.
- Markus Runte: Du wirst staunen! Katalog zur Sonderausstellung im Stadtmuseum Paderborn, Altertumsverein Paderborn (Hg) im Auftrag der Stadt Paderborn.
Claudia Auffenberg
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