„Ein Eigentor nach dem anderen“ – Pfarrer Ludger Keite im Interview

Wenig ermutigend: Mehr als eine halbe Million Menschen sind im vergangenen Jahr aus der Kirche ausgetreten. (Foto: KNA)

Seit vielen Jahren ist Ludger Keite Pfarrer in Dortmund, inzwischen leitet er den Pastoralen Raum Dortmund-Ost. Was sagt er zu den Kirchenaustritten?

Was hat sich bei den Austritten quantitativ u. qualitativ verändert?

Ludger Keite: „Die Zahl der Kirchenaustritte hat sich im letzten Jahr noch einmal verdoppelt. Vom Amtsgericht Dortmund weiß ich aus erster Hand, dass dort derzeit noch Hunderte von Kirchenaustritten unbearbeitet auf Halde liegen, weil die Verantwortlichen mit der Bearbeitung gar nicht nachkommen. Besonders betroffen bin ich von Kirchenaustritten von Kindern, deren Eltern sich sehr aktiv ehrenamtlich in der Kirchengemeinde engagieren.“

Erfahren Sie Gründe?

Ludger Keite: „Von den Menschen, die aus der Kirche ausgetreten sind, erfahre ich kaum Gründe. Aber ich höre immer wieder Gründe von Menschen, die sich bei uns ehrenamtlich engagieren und ernsthaft überlegen, jetzt aus der Kirche auszutreten. Die Gründe sind immer die gleichen: das Festhalten am Bischofsstuhl von Kardinal Woelki, der immer noch unbeholfene Weg der Aufklärung des sexuellen Missbrauchs, die Störfeuer aus Rom bezüglich des Synodalen Weges oder der vorgeschobene Grund, dass das Land NRW keine Beteiligung aus den Gemeinden bei der Bischofswahl dulden würde, die Diskriminierung von Frauen in kirchlichen Ämtern, die Verweigerung der Trauung gleichgeschlechtlich Liebender … Dortmund ist eine Fußballstadt. Bei uns würde man sagen: „Ein Eigentor nach dem anderen.“

Kann man vor Ort gegensteuern?

Ludger Keite: „Man kann vor Ort kaum gegensteuern, wenn die Gründe auf einer höheren Ebene liegen: in Rom, beim Nuntius, bei den Bischöfen, im System der Kirche selbst … Aus meiner Sicht sollte man auch gar nicht gegensteuern, sondern denjenigen, die sich mit dem Gedanken tragen, aus der Kirche auszutreten, einfach einfühlsam zuhören und Verständnis entgegenbringen. Vielleicht kann man auch das eine oder andere Vorurteil korrigieren.“

Wie geht es Ihnen mit dieser Situation?

Ludger Keite: „Die Kirchenaustritte ziehen mir den Teppich unter den Füßen weg. Ich habe das Gefühl, dass vor Ort überwiegend gute Arbeit geleistet wird. Aber einmal in der Woche abends in der Tagesschau eine offizielle Negativmeldung über die katholische Kirche zu hören, ist einfach deprimierend. Es tut mir weh, zu sehen, wie gerade unsere ehrenamtlich Engagierten zunehmend gefrustet sind und sich ein Gefühl der Ohnmacht breitmacht.“

Treten auch Menschen in die Kirche ein – und wenn ja, warum?

Ludger Keite: „Vereinzelt treten auch Menschen in die Kirche ein. In unserer Gemeinde sind es vor allem Menschen, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen sind und mit Kirche und Glaube keine Berührung hatten. Menschen, die in die Kirche eintreten, werden oft durch das Vorbild eines Partners oder einer Partnerin überzeugt und inspiriert.Manchmal haben diese Menschen auch einen Gottesdienst erlebt, der sie inspiriert hat.“

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