Ein heiliger Vater
„Bruder der Menschen“ – Papst Johannes XXIII. besucht einen Mann auf der Krankenstation eines römischen Gefängnisses.Foto: KNA
Als einer der neueren Heiligen wurde Johannes XXIII. am 27.4.2014 heiliggesprochen, dabei wurde auf ein zweites anerkanntes Wunder verzichtet, weil laut Papst Franziskus der „Tugendgrad des seligen Johannes XXIII. allgemein bekannt” sei.
von Lena Maull
Dies ist schon erstaunlich genug, aber auch die Wahl des Gedenktages ist eher ungewöhnlich: weder an seinem Geburts- noch an seinem Todestag wird Johannes XXIII. verehrt, sondern am 11. Oktober. Das ist der Tag, an dem er 1962 das Zweite Vatikanische Konzil eröffnete und damit die Modernisierung der römisch-katholischen Kirche ins Rollen brachte.
Der aus einfachen Verhältnissen stammende Italiener wurde 1958 quasi als „Kompromisskandidat“ für gemäßigte Reformer und Konservative zum Papst gewählt. Bereits wenige Tage nach seinem Amtsantritt verließ er den Vatikan, um eine Wallfahrt zum Grab des hl. Franz von Assisi zu unternehmen und kündigte das Zweite Vatikanische Konzil an. Er schaffte den Fußkuss und die vorgeschriebenen Verbeugungen ab. Schnell war klar: Dieser Papst ist nicht wie seine Vorgänger. Nicht nur durch das Einberufen des Konzils, sondern auch durch seine Reformen in der Kurie, seine Enzykliken und seine Einstellung der Weltpolitik gegenüber erntete Johannes XXIII. schnell Beifall von Katholiken aus aller Welt, die sich nach Veränderungen innerhalb der Kirche sehnten. Er war der Ökumene gegenüber äußerst aufgeschlossen, was sich in der Gründung des „Sekretariats für die Einheit der Christen“ 1960 zeigte. Er stand in regem Kontakt zu Vertretern der evangelischen, anglikanischen und orthodoxen Kirche und setzte auch Zeichen für die interreligiöse Verständigung. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern sah Johannes XXIII. die Vereinten Nationen nicht als Übel, sondern als „gottgewolltes Zeichen der Zeit“, er mischte in der Weltpolitik mit, startete zahlreiche Friedensinitiativen und half durch seine Korrespondenzen mit Kennedy und Chruschtschow in der Kubakrise zu vermitteln. Als er am Pfingstmontag 1963 verstarb, hingen sogar die Flaggen der sowjetischen Schiffe im Hafen von Genua auf Halbmast. Vieles, was heute als selbstverständlich für die Kirche angesehen wird, etwa die Ökumene oder die Öffnung zur Welt, gehen auf Papst Johannes XXIII. und sein fortschrittliches Reformprogramm zurück. Es ist daher nicht verwunderlich, dass direkt nach seinem Tod die Seligsprechung gefordert wurde, die dann am 3. September 2000 erfolgte. Der Leichnam des beliebten Papstes ist heute in einer Seitenkapelle des Petersdoms in einem Glassarg zu betrachten.
Ebenso außergewöhnlich wie sein Leben als Papst, ist auch die Nachwirkung Johannes‘. Kein Papst erfuhr seit der Kirchenspaltung durch die Reformation so eine große Zustimmung und entfachte solch eine Begeisterung für das Pontifikat. Und die Spuren des Zweiten Vatikanischen Konzils, an das nicht gedacht werden kann, ohne auch an Johannes XXIII. zu denken, sind heute jeden Tag in der Liturgie und im Gemeindeleben zu erkennen.