Eine schwere Zeit, die aber auch geprägt hat
Zum 60-jährigen Bestehen der Dombauhütte im September 2005 trafen sich die ehemaligen Mitglieder, so auch Erich Aufenanger (2. Reihe, ganz links), mit Erzbischof Hans-Josef Becker (vorne, 1. v. l.) und dem damaligen Dompropst Dr. Willi Hentze (vorne, 1. v. r.).
Paderborn. Vor 70 Jahren wurde der Paderborner Dom durch Bombenangriffe am Ende des Zweiten Weltkrieges weitgehend zerstört. Noch im selben Jahr wurde die Dombauhütte gegründet, die sich dem Wiederaufbau verschrieben hatte. Erich Aufenanger aus Altenbeken ist einer der letzten lebenden Mitglieder. Im Gespräch erinnert er sich an die damalige Zeit
Sie gehören zu den letzten lebenden Mitgliedern der Paderborner Dombauhütte, die ab 1945 den zerstörten Paderborner Dom unter schwierigsten Bedingungen wieder aufbauen sollte. Wie sind Sie nach Paderborn gekommen?Aufenanger: Ich bin 1931 im Ruhrgebiet zur Welt gekommen und ging 1941 mit meinem Vater, dessen Eltern Aussiedler waren, nach Posen. 1945 wurden wir von dort vertrieben und zogen in den Kreis Warburg. Von der Kanzel wurde dort ein Brief des damaligen Dompropstes Paul Simon verlesen, in dem junge Männer als Lehrlinge für die neu gegründete Dombauhütte angeworben wurden. Ich bin mit meinem Vater also nach Paderborn gefahren und gleich dort geblieben, ohne viel Gepäck.
Wo waren Sie untergebracht? Ich bin im September 1945 als einer der ersten Lehrlinge angekommen. Wir wurden im ehemaligen Knabenseminar, dem heutigen Liborianum, untergebracht. Das Gebäude war bis auf die Keller und einige Gewölbe völlig zerstört. Wir mussten also im Keller schlafen.
Welchen Eindruck machte Paderborn auf Sie?
Fast alle Lehrlinge waren Flüchtlinge oder Ausgebombte. Es war nicht leicht für uns, mit den Paderbornern in Kontakt zu kommen. Damals war ja die Stadt auch fast menschenleer. Man konnte die Warburger Straße entlanggehen, ohne einem einzigen Menschen zu begegnen. Das erste Mal, dass wieder etwas Trubel in der Stadt war, war das Liborifest 1946.
Wie lief die Arbeit der Lehrlinge ab?
Ich fing eine Ausbildung zum Schreiner an. Das Problem war, dass kaum Handwerksmeister zu finden waren, die unter diesen Umständen ausbilden wollten. Der erste Meister schmiss nach zwei Monaten hin. Später hatten wir dann einen Schreinergesellen und einen eigentlich schon pensionierten Meister. Noch viel schwieriger aber war die Tatsache, dass wir kaum Werkzeuge hatten, von Maschinen ganz zu schweigen. Eine der ersten Aufgaben für uns Schreiner war, Obstregale für den Keller des Vincenz-Krankenhauses herzustellen. Das haben wir dann mit einfachsten Mitteln in Baracken vor dem Krankenhaus getan. Erst ab 1946 hatten wir eine Werkstatt im Erdgeschoss des Knabenseminars, aber auch da mussten wir unsere Einrichtung zuerst einmal selbst herstellen.
Wie sah der Alltag in der Dombauhütte aus?
Um 6.30 Uhr gab es Frühstück, um 7.00 Uhr ging es zur Arbeit bis gegen 18.00 Uhr. Wenn wir nach dem Abendessen freie Zeit hatten, strolchten wir meistens durch die Paderborner Ruinen. Bücher und Kino gab es erst später. Die Verpflegung war schwierig, obwohl der Architekt Ludger Kösters und die anderen Verantwortlichen sich alle erdenkliche Mühe gaben. Wir hatten eigentlich immer Hunger, aber das war nach dem Krieg ja der Normalzustand. Wenn wir für einen Bauern etwas getan hatten, bekamen wir manchmal Getreide geschenkt. Der Bäcker gegenüber vom Seminar tauschte uns das gegen Maisbrot ein.
Woran arbeiteten Sie in der Schreinerei?
Nachdem wir unsere Werkstatt einigermaßen eingerichtet hatten, waren zunächst die Fenster des Knabenseminars und des Generalvikariats dran. Ich machte damals auch die erste Tür, die neben dem Generalvikariat vom Domplatz in den Dom führte. Später setzten wir im Dom das Gestühl und die Sakristei instand, dann auch die Kirchenbänke und die Beichtstühle. Während dieser Zeit diente uns die Kapuzinerkirche als Holzlager. 1948 machten wir dann unsere Gesellenprüfung.
Wie ging es für Sie weiter?
Von den Schreinern blieb keiner in Paderborn. 1949 wurde die Dombauhütte wegen Geldmangels ja auch aufgelöst beziehungsweise zum Teil in einen privaten Betrieb umgewandelt. Ich zog nach Mülheim an der Ruhr und arbeitete als Geselle in einem Schreinerbetrieb. Später wurde ich der jüngste Schreinermeister im Raum Düsseldorf. Im Laufe der Zeit ging ich dann in Richtung Entwurf, Konstruktion und Arbeitsvorbereitung.
Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie heute durch den Dom gehen?
Natürlich sehe ich die Stellen, an denen ich damals mitgearbeitet habe. Es war schon eine schwere Zeit, aber sie hat auch geprägt und der Zusammenhalt von Lehrlingen und Mitarbeitern war stark.
von Daniel Born
War es überhaupt möglich, dort zu wohnen?
Die Zustände waren schon schlimm. Ich weiß selbst nicht mehr, wie ich den ersten Winter überstanden habe. Es gab keine Heizungen, nur den Herd in der Küche. Dieser war die einzige Möglichkeit, uns aufzuwärmen. Wirklich schlimm war es im Frühjahr 1946, als es in den Keller geregnet hatte. Wir haben Bretter auf Ziegelsteinen über den Fußboden gelegt, um überhaupt zu unseren Betten zu kommen. Einige Lehrlinge mussten schließlich in das ebenfalls zerstörte Generalvikariat umziehen. Aber natürlich waren wir nach dem Krieg auch froh, überhaupt überlebt zu haben und eine Ausbildung machen zu können. Später schliefen wir im Vorraum des heutigen Speisesaals, in drei Betten übereinander.