Einheit – nicht Gleichmacherei
Ein gemeinsames Dokument über christliche Friedenserziehung haben der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) und der Vatikan verabschiedet. Die Erklärung mit dem Titel „Friedenserziehung in einer multireligiösen Welt – eine christliche Perspektive“ wurde am 21. Mai in Genf von ÖRK-Generalsekretär Olav Fykse Tveit und dem Sekretär des Päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog, Bischof Miguel Ángel Ayuso, unterzeichnet. Der Text verweist auf die Gottesebenbildlichkeit aller Menschen und auf Jesus als Friedenslehrer. Unser Bild zeigt die Eröffnungszeremonie der Konferenz, an der auch Vertreter anderer Weltreligionen teilnehmen. Foto: ÖRK
Die Einheit im Glauben lebt von der Vielfalt des christlichen Zeugnisses.
von Josef Holtkotte
Wir sind in der Osterzeit. Der gemeinsame Glaube an den Auferstandenen verbindet uns. Dieser Glaube stärkt und eint. Jesus selbst betet um die Einheit derer, die ihn in ihrem Leben suchen und an ihn glauben. Er betet um Einheit. Ist das auch unser Anliegen? Bemühen wir uns um sie? Was bedeutet Einheit?
Vielleicht könnten wir sagen: Einheit muss die Waage halten zwischen dem Zuwenig und dem Zuviel, zwischen der Gleichmacherei und dem Durcheinander, zwischen der Uniformität und der Spaltung. In der Theorie klingt das sehr gut. In der Praxis ist das nicht einfach. Was der eine als berechtigte Vielfalt der Meinungen und Standpunkte (in der Kirche) ansieht, betrachtet der andere bereits als Auflösung und Zerstörung der Einheit. Was umgekehrt der eine als großartiges Zeichen der Einheit lobt und mit allen Mitteln verteidigt, hält der andere für eine Zwangsjacke, die jede Vielfalt erstickt. Jesus selbst betet um Einheit. Es muss uns ein Anliegen sein, dieses Gebet immer mehr zu verstehen und danach zu handeln.
Die Suche nach Einheit bleibt herausfordernd. „Im Wesentlichen Einheit, im Unwesentlichen Freiheit“, könnten wir als Richtschnur sagen. Aber: Wer bestimmt denn, was wesentlich und was unwesentlich ist? Wer entscheidet das? Einer? Alle?
Das Gebet Jesu um die Einheit fällt in die Osterzeit. Maßstab für unser Suchen und Fragen, für Ehrlichkeit und Achtsamkeit, für Zuhören und Verstehen-wollen ist der Auferstandene selbst. An ihm müssen wir uns im Bemühen um Einheit orientieren.
In unserer Art zu leben und in unserer Weise, den Alltag zu gestalten, wird unser Glaube an den Auferstandenen sichtbar. Dieser Glaube zeigt sich im Zusammenleben mit den Menschen in der Einen Welt. Er wird deutlich in der Art, wie wir uns in unserer freien und offenen Gesellschaft und als Mitgestalter in unserer Kirche bewähren. Der österliche Glaube trägt uns in all den Herausforderungen und Umbrüchen, die wir täglich erleben, mit denen wir umgehen und die wir gestalten. Aus diesem Glauben bauen wir mit an einer Kirche des Miteinanders, des Volkes Gottes. Wir bringen uns ein, nicht mit einfachen Schablonen oder billigen Parolen, sondern mit unserem Gewissen und einem Menschenbild, das andere ernst nimmt und jedem Menschen seine Würde lässt.
Unseren Osterglauben zeigen wir durch unsere Haltung und unser Handeln. Das Gemeinsame zu stärken, das Miteinander zu fördern und die Einheit im Blick zu behalten, sind Früchte des gelebten Glaubens. Wege zur Einheit zeigen sich in unserer gemeinsamen Hoffnung, im sozialen Engagement, in ökumenischer Gesinnung, durch Barmherzigkeit und Gerechtigkeit, durch Mut und Vertrauen. Die Liebe bleibt das Maß. Das Streben nach der Einheit bleibt ein Grundakkord unseres Glaubens. Es ist Auftrag und Ziel zugleich!
Der verbindende Glaube an den Auferstandenen kann uns auf solchen Wegen (be-)stärken. Der Osterglaube lässt uns einen Gott suchen und finden, der mit uns unterwegs ist: den Gott der Einheit und der Liebe, den Gott des Lebens und der Zukunft. Er ist mitten unter uns.
Zum Autor:
Pfarrer Josef Holtkotte ist Priester des Erzbistums Paderborn und seit 2013 Bundespräses des Kolpingwerkes Deutschland mit Sitz in Köln.