25.11.2016

Erwartung

Foto: Lupo / pixelio

Der Advent kommt ja einerseits irgendwie zur Unzeit, andererseits auch genau richtig.

von Claudia Auffenberg

Zur Unzeit, weil einem klar wird, dass das Jahr schon wieder zu Ende ist. Man ist doch noch gar nicht in Stimmung, es ist noch so wahnsinnig viel zu tun: Resturlaub, Jahresabschluss, Projekte müssen wegen irgendwelcher Budgets zum Ende des Kalenderjahres fertig werden. Und so türmen sich das Drama und die Not des eigenen Lebens wie ein Tsunami zum Ende des Jahres auf und man kriegt mal wieder um die Ohren gehauen, was man in den vergangenen Monaten ganz gut übersehen konnte: Die Zeit läuft einem davon, jetzt und überhaupt, man wird nicht fertig, man wird überhaupt nie wirklich fertig. Die eigenen Unzulänglichkeiten und Grenzen werden bestimmend und bekommen etwas Bedrohliches. Zudem sind alle erkältet oder irgendwie angeschlagen. Ach, und dann auch noch das Wetter!

Und in diese hektische Endzeitstimmung platzt nun der Advent. Noch eine Erwartung? Ja, aber nicht an uns, sondern für uns.

Im Grunde ist das die Verkehrung der Vorzeichen: Richtig, Mensch, du bist unzulänglich, du hast deine Grenzen, du wirst nicht fertig. Das kannst du getrost einem anderen überlassen. Genau diese Unzulänglichkeit könnte sogar deine Schnittstelle zu dem sein, der dich fertigmachen – im Sinne von vollenden – will. Die nun anbrechende Zeit der Erwartung ist die Zeit, in der du erwartet wirst und zwar von dem, der dich jetzt schon vollendet sieht. Quäl dich also nicht unnötig. Du kannst anfangen und das genügt! Darum kannst du dich bemühen, aber bitte in Gelassenheit und mit der Gewissheit, dass du nicht allein bist.

Jochen Klepper, dieser junge sensible Dichter, Sohn eines evangelischen Pfarrers, hat es 1938 so formuliert: „Noch manche Nacht wird fallen auf Menschenleid und -schuld. Doch wandert nun mit allen der Stern der Gotteshuld.“

Daran möchte man festhalten.

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