Exlibris – Versteckte Wahrheit

Hans-Walter Stork ließ sich ein privates Exlibris anfertigen, dass den Blick aus seinem Arbeitszimmer zeigt. (Abbildung: EAB)

Viele Jahrhunderte kennzeichneten Buchbesitzer ihr Eigentum mit Exlibris. Der Begriff „ex libris“ – „aus der Bücherei“ – bezeichnet grafische Blätter, die in Bücher geklebt werden. Eine Ausstellung und ein Katalog widmen sich den Exlibris im Buchbestand der Akademischen Bibliothek in Paderborn. 

Paderborn. Die Zeiten, in denen bibliophile Menschen ihre Bücher mit Exlibris kennzeichneten und schmückten, sind vorbei. Wer klebt sich schon Grafiken, die auch heute noch mehrere Hundert Euro kosten, in seine Suhrkamp-Bändchen? Liebhaber der Kunstgattung gibt es aber immer noch. Zuletzt fand im Mai die Jahrestagung der Deutschen Exlibris-Gesellschaft statt, bei der sich Sammler und Künstler trafen. Gleichzeitig eröffnete die Akademische Bibliothek im Erzbistum Paderborn eine Ausstellung mit historischen Exlibris aus Büchern der Bibliothek. Sie wird noch bis zum 28. Juli zu sehen sein. 

Beifang der Bibliotheksarbeit

Basierend auf den Vorbereitungen zu dieser Ausstellung, hat Professor Dr. Hans-Walter Stork, der Leiter der Bibliothek, einen Katalog über die Exlibris in Büchern der Bibliothek mit Abbildungen und Erläuterungen veröffentlicht. 300 Exlibris wurden bislang in der Akademischen Bibliothek gefunden, es können aber noch mehr sein, weil die kleinen Kunstwerke „Beifang“ der Bibliotheksarbeit sind, also nur dann auffallen, wenn das Buch ohnehin in die Hand genommen wird. 

Die Erzbischöfliche Akademische Bibliothek wurde 1896 als Einrichtung der Theologischen Fakultät Paderborn gegründet. Ihre Bestände reichen jedoch weit über das Gründungsdatum zurück. Als zugleich diözesane Bibliothek des Erzbistums verwahrt sie beispielsweise zahlreiche Pfarrbibliotheken, Bibliotheken von Wissenschaftlern oder Klöstern. 

In dieser reichen Auswahl finden sich die Exlibris von „Päpsten, Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen, Mitgliedern von Orden, Gelehrten und Sammlern“, schreibt Hans-Walter Stork im Vorwort zu dem Katalog. Die Liste macht deutlich, dass die Katalogstücke vorwiegend aus dem kirchlichen Raum stammen. Es finden sich in der Ausstellung und im Katalog auch Exlibris aus dem Buchbestand des Vereins für Geschichte und Altertumskunde – ein „Fundus“, der „bei Weitem nicht ausgeschöpft ist“, wie Hans-Walter Stork feststellt.  

Eines der bedeutendsten Exlibris findet sich auf der Titelseite des Katalogs. Es handelt sich um einen Kupferstich, den der Warburger Goldschmied und Kupferstecher Antonius Eisenhoit aus Warburg 1603 für Fürstbischof Theodor oder Diet­rich von Fürstenberg anfertigte. Wahrscheinlich, so vermutet Hans-Walter Stork, steht die Arbeit im Zusammenhang mit der Gründung des Jesuitenkollegs im Folgejahr 1604.  

Detaillierte Ausführung: das Exlibris des Paderborner Gegenreformators Theodor von Fürstenberg Abbildung: EAB

Dieser nur 17,9 x 12,1 Zentimeter große Kupferstich würdigt in sehr detaillierter Form den machtbewussten Fürstbischof, der 1604 den Widerstand der Paderborner Bürgerschaft brach und den vormaligen Bürgermeister gevierteilt an die Stadttore nageln ließ. Theodor von Fürstenberg war Protagonist der Gegenreformation im Hochstift Paderborn. Er setzte also den katholischen Glauben an vielen Orten durch, die vorher an die Evangelischen verloren gegangen waren. Die Heiligen, auf die er sich berief, sind detailliert bis zum Faltenwurf der Gewänder dargestellt: Gregorius, Hyeronimus (sic), Augustinus und Ambrosius. 

Würdigung für einen Freigeist per Exlibris

Kurz vor der Reformation entstand 1509 ein gemaltes Exlibris der Artistenfakultät der Universität Ingolstadt, das vor einem tiefblauen Hintergrund die heilige Katharina von Alexandrien zeigt: eines der ältesten und bedeutendsten Exlibris der Akademischen Bibliothek, von dem nur noch neun weitere Exemplare bekannt sind.

Ein halbes Jahrhundert später bestellte Bischof Johannes III. von Hoya (1568 bis 1574) eines der wenigen  „Supralibros“ – „Außenexlibris“ – der Bibliothek. Supralibros wurden auf den Buchdeckel geprägt und erlaubten neue Darstellungsweisen, blieben aber die Ausnahme.  

Das Exlibris mit der Abbildung Calvins erinnert daran, dass der Reformator auch ein unerbittlicher Verfolger angeblicher ­Ketzer war. Abbildung: EAB

Die Tradition der Exlibris erfreute sich auch im 19. Jahrhundert noch großer Beliebtheit. Eines der herausragenden Werke gehörte dem Genfer Professor für Kirchengeschichte, Gaspard Ernest Stroehlin (1844-1907). Es zeigt den Genfer Reformator Calvin, zudem ist der Ortsname Champel vermerkt. In diesem Städtchen wurde der Reformator Servetus auf Betreiben Calvins als Ketzer verbrannt. „Mente libera“ – „Freigeist“ lautet die Inschrift auf dem Exlibris.  

Ein Porträt in einer „flüchtigen Sekunde“

Ein anderes Exlibris gehört dem Ausstellungs- und Katalogmacher selbst. Hans-Walter Stork hat sich von dem Künstler Andreas Raab 2018 eine kolorierte Radierung für seine Bücher anfertigen lassen. Sie zeigt den Blick aus dem Arbeitszimmer des Bibliotheksleiters über die Altstadt von Paderborn. Zu sehen sind die Marktkirche und das Theodorianum, der Dom und die Gaukirche. Im Fenster rahmen zwei Bildbände den Blick auf Paderborn ein: ein Band über die alte römische Stadt Trier und ein Buch über das „edle Rom“. 

Stork verrät auf dieser Radierung viel über sich: dass die Kirche sein Fixpunkt ist, seine Verankerung in der antiken Welt und Kultur. Diese Funktion der Exlibris hat der internationale Experte Krzysztof Marek Bak in einem Vorwort zu der Paderborner Exlibris-Tagung beschrieben. In den Exlibris der Gegenwart gehe es darum, in einer „flüchtigen Sekunde“ einen Menschen zu porträtieren, etwas „ans Tageslicht“ zu bringen. Exlibris seien wie Spiegel, die die Welt des Besitzers spiegeln und die Betrachter in diese Welt hineinziehen.

Bibliotheksleiter Hans-Walter Stork mit dem Exlibris für Fürstbischof Theodor von Fürstenberg (Foto: Karl-Martin Flüter)

Zeitgemäße Kunstwerke, gestaltet von Künstlern

Die Grafiken in Büchern sind heute tatsächlich zeitgemäße Kunstwerke, die oft von herausragenden Künstlern gestaltet werden. Sie sind zudem interessant für Sammler, weil sie im Vergleich zu „großer“ Kunst recht preisgünstig sind. Ihre Aufgabe als Repräsentation von Macht, Einfluss und Vermögen, so wie das bei Fürstbischof Theodor von Fürstenberg 1604 der Fall war, haben sie jedoch verloren. 

Aus der Distanz von 400 Jahren wird das Exlibris des Fürstbischofs jedoch sehr wohl zu einem Spiegel. Er zeigt uns einen machtbewussten Potentaten, der sich der Ideologie der katholischen Dienste bedient. Der Mensch Theodor oder Dietrich, wie er eigentlich hieß, wird wie in einem Schlaglicht mit seiner Durchsetzungskraft und seinen Abgründen deutlich: ein Stück Wahrheit, versteckt in einem Buch.

Karl-Martin Flüter

Info
Exlibris im Original
Die Ausstellung mit den Exlibris der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek ist noch bis Freitag, 28. Juli, in den Räumen der Bibliothek zu sehen. Die Akademische Bibliothek ist Montag bis Freitag von 9.00 bis 12.30 Uhr und 13.30 bis 17.00 Uhr geöffnet. Der Katalog kann per E-Mail bestellt werden: info@eab-paderborn.de

Der BDKJ-Diözesanverband Paderborn bietet Fahrten zu Konzentrationslagern an, um sich mit der NS-­Gewaltherrschaft auseinanderzusetzen.

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