11.05.2017

Fischköpfe und Leithammel

Foto: Emundem / photocase

Beim Reden über das Thema Führung greift der Mensch anscheinend gern zu tierischen Motiven. „Der Fisch stinkt vom Kopf“ ist so ein Klassiker, mit dem in diesen Tagen manche versuchen, Ursula von der Leyen klarzumachen, dass sie für die von ihr beschriebene „offensichtliche Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen“ auch irgendwie verantwortlich sei.

von Claudia Auffenberg

 

Stinkt der Fisch vom Kopf? Ludger Keite ist skeptisch. Er ist – so gesehen – auch ein Kopf, sein „Fisch“ ist der Pastorale Raum Dortmund-­Ost, Keite ist also Pastoralverbundsleiter. Aber nicht nur das. Keite ist auch Coach, das heißt, er berät und begleitet z. B. Menschen, die in Führungspositionen sind. Wer so eine Rolle innehat, sei es in einem Unternehmen, in einem Pastoralverbund oder in einem Orden, dem komme natürlich ein hohes Maß an Verantwortung zu, sagt er, so jemand kann durch eigene Glaubwürdigkeit ein immens wichtiges Vorbild sein. „Aber ob nun alle Konflikte in einer Organisation immer auf die Führungskraft zurückgehen, das glaube ich nicht.“ Manchmal sei es die Struktur, die krank mache. Ludger Keite kennt übrigens auch ein schönes Tier-Wort: „Bei Licht betrachtet, ist auch der Leithammel nur ein Schaf.“ Ihm helfe das immer sehr, sich bewusst zu machen, dass „über allem immer noch einer steht, der größer ist als wir alle“, sagt er und meint damit nicht den Bischof oder den Papst, sondern Gott.

In sich selbst das Schaf zu erkennen oder mindestens nicht zu übersehen, ist das erste, was eine gute Führungskraft ausmacht. Führung beginnt bei der Selbstführung, so Keite. Das sei schon eine hohe Kunst, die man aber beherrschen müsse, bevor man andere führen könne. Selbstführung heißt, sich selbst wahrzunehmen, mit sich selbst in einem guten Kontakt zu sein, sich selbst anzunehmen. „Wenn ich selbst für mich verstanden habe, dass ich von Gott angenommen bin, auch mit meinen Schwächen, dann kann ich auch andere mit ihren Schwächen annehmen und führen.“ Führen heißt für ihn nicht, alles zu können, schon gar nicht, alles besser zu können, sondern es heißt nach einem Wort des hl. Johannes XXIII: Alles sehen, vieles übersehen, weniges korrigieren.

Eine gute Führungspersönlichkeit hat eine Vision, sie weiß, wohin sie will, auch übermorgen noch. Keite spricht sogar von der Führungskraft als Sinnstifter. Die Führungskraft muss ein Ziel haben, das Mitarbeiter für sich als lohnendes Ziel erkennen und bereit sind, sich dafür einzusetzen. Dies gelte gerade für das Ehrenamt, wo es kein Geld gibt, sondern der Sinn die Hauptmotivation sei.

Man ahnt: Die Rollenunsicherheit, womöglich verbunden mit dem Verlust der Vision, ist wohl ein Thema, das viele Priester in Zeiten wie diesen umtreibt – besonders die Pastoralverbundsleiter, die ja auch mal angetreten sind, Seelsorger zu sein und nicht unbedingt Chef eines kleinen Betriebs mit riesiger Fläche. Viele erleben das als Spagat, als Spannung, die unerträglich werden kann.

Gehen ,Seelsorger sein und ,Chef sein nicht zusammen? Keite meint, das gehe durchaus. Ihm helfe es sogar, wenn er seine Mitarbeiter auch aus seelsorglicher Perspektive betrachte. „Ja, ich bin Chef, aber dadurch, dass ich präsent bin, kann ich in persönlichen Krisensituationen Seelsorger sein.“ Im Grunde stecke auch in der Rolle des Pastoralverbundsleiters sehr viel seelsorgliches Potenzial. Man muss es halt entdecken.

 

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