Freude aus der gelebten Liebe
Für das Abschluss-Programm war eine echte Polonaise eingeübt worden. Original-Kleidung wurde von einem Theater ausgeliehen. Den Tanz führten Jugendliche aus fünf Ländern professionell auf – sehr zur Freude der polnischen Bevölkerung! Foto: privat
Koszalin (MW/Nü). Über 100 junge Menschen aus 14 Ländern waren zum diesjährigen Camp der Bewegung „go4peace“ ins polnische Koszalin gereist. Sie arbeiteten in 35 Workshops zusammen und schlugen Brücken zu Flüchtlingen.
„Und, wie lange seid ihr gefahren?”, fragt Pastor Meinolf Wacker Mariaklelia aus Albanien und schaut dabei in die übermüdeten Augen eines Mädchens, das zum ersten Mal eine so weite Reise gemacht hat. „42 Stunden!“, sagt sie mit einem Lächeln, „und die Klimaanlage bei uns hinten in dem kleinen Bus hat nicht funktioniert!“ Das alles sagt sie in deutscher Sprache, da sie im albanischen Shkodra, wo das Camp 2017 stattgefunden hat, zu einem österreichischen Gymnasium geht.
Nun war sie mit Schwester Rita und 16 weiteren albanischen Jugendlichen über 2 200 Kilometer in einem alten Bus nach Nordpolen gefahren. „Ich staunte, wie sich dieses Mädchen in dem einen Jahr, in dem wir uns nicht gesehen hatten, weiterentwickelt hatte. War ihr im vergangenen Jahr noch (fast) kein deutsches Wort über die Lippen gekommen, war jetzt schon fließende Kommunikation möglich“, berichtet Pastor Wacker.
Langsam trudelten sie alle ein: aus Slowenien, Kroatien und Bosnien-Herzegowina, aus Österreich, Tschechien und Deutschland. Aus 14 verschiedenen Nationen waren sie aufgebrochen – doch reichte die Vernetzung noch weiter. Die Verwurzelung der norwegischen Jugendlichen ging nach Kolumbien, Ecuador, Brasilien, auf die Philippinen und nach Marokko, die der deutschen Gruppe nach Sri Lanka, Polen und Ägypten. Wieder neu hatte sich eine bunte Familie aus aller Welt eingefunden, um „go4peace“ dieses Mal im nordpolnischen Koszalin zu leben.
Schon seit Beginn der Woche hatte Andrzej Zaniewski, Jugendpfarrer der Diözese Koszalin, sein Team aus ganz Polen um sich versammelt. Sie hatten das Camp in der „Bursa“, einem in den Sommerferien leerstehenden kommunalen Internat, vorbereitet.
Es war alles andere als leicht für Andrzej gewesen, ein polnisches Team an jungen Menschen für das Camp zusammenzubekommen. Die Jugendlichen in seiner Diözese waren fast alle in den Sommerferien in der Gastronomie am Meer tätig, um sich dort ein wenig Geld zu verdienen. Und viele hatten nur begrenztes Interesse an einer europäischen Erfahrung. Agatha etwa hatte – wie sie sagte – „für das Camp keine Zeit“. Aber irgendetwas hatte sie nicht wieder losgelassen. Die Anfrage, mitzumachen, blieb in ihr lebendig. Zwei Tage vor dem Camp meldete sie sich doch noch an. Zum Glück – wie sich später zeigen würde!
„Ich möchte wirklich einmal Tag für Tag mit vielen Jugendlichen gemeinsam die Worte Jesu leben und ich bin gespannt, was dabei herauskommt!“, hatte Emilia aus Kamen, deren Wurzeln ebenfalls nach Polen gehen, vor dem Camp in einem Presse-Interview gesagt. So war sie Morgen für Morgen mit den vielen jungen Europäern versammelt, um das Tagesevangelium anzuhören und sich den kleinen Impuls einzuprägen.
Der erste gemeinsame Tag stand unter dem Motto „Open your heart!“ („Öffne Dein Herz!“), sonntags war es mit dem prägenden Motto „Don’t stop giving!“ („Hör nicht auf zu geben!“) weitergegangen. An diesem Tag waren alle mit etwa 100 geliehenen Fahrrädern zur Ostsee aufgebrochen, um dort ein paar schöne Stunden zu verleben. Viele kamen an, bei einigen ließen es die Räder jedoch nicht zu, die 10 Kilometer lange Strecke zu überwinden.
Bei Mariaklelia war die Kette abgesprungen. Sie hatte sich so auf die Tour mit der gesamten Gruppe und mit ihren drei Schwestern gefreut – und dann war ihr Rad auf einmal nicht mehr fahrtauglich. Abends erzählte sie: „Ich war so traurig! Vor allem, weil meine ältere Schwester bei mir blieb, als mein Fahrrad kaputt war. Ich wollte ihr doch die Radtour nicht verderben. Sie hatte sich doch auch so gefreut! So habe ich ganz viel geweint. Meine Schwester ist die ganze Zeit bei mir geblieben und hat das Motto ,Don’t stop giving!‘ gelebt, sie hat einfach die Zeit mit mir geteilt. Und da ist mein Herz wieder ruhig geworden. Und jetzt bin ich wieder froh!“
Es sind diese einfachen – scheinbar – kleinen Erfahrungen, die erahnen lassen, dass die Worte des Evangeliums wirklich eine wandelnde und prägende Kraft für den persönlichen Alltag haben. Die Camps „go4peace“ sind immer eine Ausnahmesituation – nicht nur, weil es wenig Schlaf gibt, sondern weil alle Teilnehmenden versuchen, mit den kleinen Impulsen unterwegs zu sein.
Den ganzen Text und weitere Bilder finden Sie in der Print-Ausgabe des Dom Nr. 36 vm 9. September 2018