Gemeinsam leiten – Es gibt eine Zeit zu lernen

Die Zeiten eines einzelnen Leitbootes sind vorbei. (Grafik: Erzbistum)

Schon fast neun Monate wartet das Erzbistum Paderborn auf einen neuen Erzbischof. Diese ­Sedisvakanz, in der nichts beschlossen werden kann, was den neuen Erzbischof bindet, fällt in eine Zeit großer Unruhe und kirchlicher Umbrüche. Nichts tun geht nicht, also wird im pastoralen Raum experimentiert.

Erzbistum (-berg). Zu den Fragen, die sich gerade massiv aufdrängen, gehört die nach der Leitung: Wer leitet eigentlich einen pastoralen Raum – und wer leitet die Gruppen und Kreise im pastoralen Raum? Früher war die Sache klar: Das machte der Pfarrer. Aber er hatte in der Regel auch nur einen Kirchturm, sprich eine Pfarrei, einen Pfarrgemeinderat und einen Kirchenvorstand und so weiter. Mancherorts gibt es noch karitative Einrichtungen, Krankenhäuser oder Altenheime, aber die Fläche, die ein Pfarrer zu bespielen hatte, war doch überschaubar. Und die Leute kannten ihn.

Dies hat sich geändert: Große pastorale Räume sind nicht mehr oder jedenfalls deutlich weniger überschaubar und das ist nicht nur geografisch. Auch menschlich wird es komplexer. Denn vielerorts sind die Engagierten nicht mitgezogen auf die mittlere Ebene, die man im kommunalen Bereich vielleicht Landkreis nennen würde, sondern vor Ort, an ihrem Kirchturm geblieben. 

Wer leitet den pastoralen Raum?

Diese Entwicklungen haben in den ersten Jahren für zermürbende Diskussionen gesorgt, wenn es etwa um Gottesdienstzeiten ging oder darum, wo das Pfarrfest stattfinden soll. Inzwischen ist allen Verantwortlichen, zumindest in der Leitung des Erzbistums, klar: So kann es nicht weitergehen, diese Entwicklung ist in gewisser Weise an ein Ende gekommen. Aber was kommt dann? Das soll nun in diversen Modellprojekten ausprobiert werden. Das eine zur ehrenamtlichen Mitverantwortung wird an diesem Wochenende mit einem Kongress abgeschlossen (siehe Interview mit Prof. Reis in der Dom-­Ausgabe 23), das andere soll im August beginnen. Während das eine um die Frage ging, wer impastoralen Raum leitet, geht es nun darum, wer den pastoralen Raum leitet. 

Friederike Plümpe (Foto: privat)
Klaus Junghans (Foto: Auffenberg)

Im Rahmen des Kirchenrechts sollen in diesem Projekt verschiedene Modelle ausprobiert werden. Dazu werden sechs pastorale Räume gesucht, die mitmachen möchten. Die Bewerbungsfrist läuft noch bis zum 21. Juli. 

Innerhalb und außerhalb des Erzbistums Paderborn wird bereits im kirchenrechtlichen Rahmen probiert und versucht, denn das Thema ist nun wahrlich nicht gestern vom Himmel gefallen und betrifft auch andere Bistümer. 

Erfahrungen

Im Erzbistum Paderborn etwa können Friederike Plümpe und Klaus Junghans von Erfahrungen mit anderen Leitungsmodellen berichten. Plümpe ist Gemeindereferentin im ländlich strukturierten Pastoralverbund Willebadessen-­Peckelsheim. Zum Leitungsteam gehören neben ihr natürlich der Pfarrer und der Verwaltungsleiter. Weiterhin gibt es drei Priester, einen Gemeindereferenten und zwei ständige Diakone. 22 Gemeinden gehören zum Pastoralverbund, man kann sich leicht vorstellen, dass es da einiges zu tun gibt, allein schon wegen der vielen Ehrenamtlichen, die sich in verschiedenen Bereichen engagieren.

Diese zu vernetzen und zu begleiten ist Friederike Plümpes Aufgabe, sie ist die Leiterin Pastorales Netzwerk. Netzwerke – Mehrzahl – müsste es eigentlich heißen, denn sie koordiniert eine ganze Reihe solcher Runden nach innen und nach außen. Ihr Credo, das sie im Gespräch mehrfach sagt: „Wir müssen die Kirche im Dorf lassen“ oder „Jeder darf seine Identität behalten“. Auch auf dem Land im einst gut katholischen Paderborner Hinterland ist die Kirche nicht mehr die prägende Kraft im Dorf, aber das Kirchengebäude bleibt eine Art Identitätsmerkmal, oft ja auch die räumliche Mitte eines Ortes. Mit dem Engagement im und für den Ort treffe man daher auch auf gesellschaftliche Bedarfe, sagt Plümpe. 

Gruppen, um nicht zu vereinsamen

Das zentrale ehrenamtliche Gremium ist der Pastoralverbundsrat, zu dem neben ihr und dem Pfarrer jeweils zwei gewählte Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Gemeinden gehören. Weiterhin gibt es inzwischen ein Netzwerk der Wortgottesdienst-­Leiterinnen und -Leiter, ein Netzwerk der Kindertageseinrichtungen oder auch eines der Küster. Die Gruppen unterstützen sich gegenseitig, tauschen Ideen aus. Friederike Plümpe sagt: „Diese Gruppen sind wichtig, um nicht zu vereinsamen“, denn manchmal gibt es vor Ort nur noch eine Person, die sich um eine übernommene Aufgabe kümmert. Ein Beispiel für den Sinn eines solchen Netzwerkes ist das Küster-­Silvester, zu dem diese aus eigener Initiative am Vorabend zum ersten Advent zusammenkommen. 

In einer ganz ähnlichen Konstellation arbeitet Klaus Junghans im Pastoralverbund Lippe-­Detmold. Auch hier gibt es einen Pastoralverbundsrat, einen leitenden Pfarrer und einen Verwaltungsleiter. Wenn man auf der Homepage zu den Seelsorgerinnen und Seelsorgern geht, schaut man in 15 Gesichter, Klaus Junghans ist nicht dabei. Seine Aufgabe ist es, „die Fäden zusammenzuhalten“, wie er sagt, die Fäden aus den acht Kirchorten.

Das sind faktisch die Gemeinden, aber der neue Name bringt auch ein neues Selbstverständnis zum Ausdruck: Es geht nicht mehr darum, das System Gemeinde am Laufen zu halten, sondern einen Ort lebendig zu halten. Das klingt zwar ähnlich, fühlt sich aber doch anders an. „Wir sind nicht für, sondern mit den Menschen da“, sagt Junghans. Entstanden ist das Gremium aus einer Krise: Als in den Gemeinden keine Pfarrgemeinderäte mehr zustande kamen, wurde überlegt, aus jedem Kirchort zwei Personen in dieses neue Gremium zu holen. Wie diese Vertreter die Gläubigen und Engagierten von vor Ort beteiligen, ist ihre Sache. 

Im Moment läuft es

Der Rat trifft sich ohne Tagesordnung, sondern beginnt mit der Frage: Was steht an? Klaus Junghans erlebt eine große Sorge füreinander. Inzwischen gibt es einen Vorstand, zu dem neben ihm zwei Gewählte gehören. Junghans hat nur eine halbe Stelle, eigentlich brauche es aber eine ganze, sagt er. Allein schon wegen der Entfernungen, die es innerhalb des Raumes zurückzulegen gilt. Auch wenn es im Moment ganz gut läuft, so erlebt er doch eine gewisse Angst bei den Leuten, die Angst nämlich, dass man nicht bestehen könne. „Alle sind damit beschäftigt, dass wir nur noch so wenige sind“, sagt er. Und noch immer gebe es große Hoffnung in die Hauptamtlichen, eine Hoffnung, die die zukünftigen Entwicklungen ganz sicher enttäuschen werden. Aber kann ein Ehrenamtlicher seine Aufgabe übernehmen? Junghans ist skeptisch.

Die Beteiligung Ehrenamtlicher ist eine der Ideen, die das Modellprojekt probieren könnte. Mitleiten sollen sie auf jeden Fall, offen ist, wie. Die Frage, ob die Ehrenamtlichen bzw. überhaupt die Laien, also auch Menschen wie Friederike Plümpe und Klaus Junghans jetzt – gefühlt mal wieder – ein Notnagel sein sollen, beantwortet Alina ­Sivaraj von der Abteilung Leben im Pastoralen Raum des Generalvikariates mit einem klaren Nein! Im Erzbistum sei schon länger und auch sehr ernsthaft davon die Rede, aber gewisse Bedingungen brauche es, damit es dann auch dazu komme. 

„Wir sind auf einem Lernweg“, sagt sie. An dessen Ende soll dann auch nicht das eine für alle verbindliche Paderborner Modell stehen, sondern verschiedene Wege, die die pastoralen Räume gehen können. Und die ein neuer Erzbischof ­hoffentlich auch mitgehen wird.

Schauen Sie doch mal in die aktuelle DOM-Ausgabe rein. Dort finden Sie eine Vielzahl an Berichten zur katholischen Kirche im Erzbistum Paderborn, deutschlandweit und auch weltweit. Es lohnt sich bestimmt.

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