26.01.2017

Gerät die Einheit aus dem Blick?

Blickt in Sachen Ökumene nicht unbedingt optimistisch in die Zukunft: der römische Kurienkardinal Kurt Koch.

Paderborn. Kurt Kardinal Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, hat bei seinem Vortrag in der Vorlesungsreihe Montagsakademie der Theologischen Fakultät Paderborn unter der Überschrift „Lob der Vielfalt. Gerät den christlichen Kirchen die Einheit aus dem Blick?“ vor einem weiteren Auseinanderleben der christlichen Konfessionen gewarnt. Um der Einheit willen dürften die Christen weltweit nicht nachlassen, sich verstärkt auf ein gemeinsames Ziel in der Ökumene auszurichten, sagte Kardinal Koch im vollbesetzten Audimax.

„Wenn die verschiedenen Partner der Ökumene kein gemeinsames Ziel vor Augen haben, sondern in der sehr unterschiedlichen Weise verstehen, was zur Einheit der Kirche gehört, dann besteht die große Gefahr, dass sie in verschiedene Richtungen voranschreiten, um nachträglich entdecken zu müssen, dass man sich möglicherweise noch weiter als bisher vonei­nander entfernt hat“, sagte der römische Kurienkardinal. Diese Gefahr sei in den vergangenen Jahrzehnten keineswegs kleiner geworden. Bisher sei über das Ziel der ökumenischen Bewegung keine wirklich tragfähige Übereinkunft erzielt worden.

Aus Kochs Sicht wird die Schwierigkeit noch dadurch verschärft, „dass die ökumenische Suche nach der Einheit der Kirche im heute weithin selbstverständlich gewordenen pluralistischen und relativistischen Zeitgeist einem starken Gegenwind ausgesetzt ist.“ Dieser Zeitgeist sei auch im ökumenischen Denken der Gegenwart feststellbar und zwar in „einem Pluralismus, demgemäß gerade die Vielzahl und Vielfalt von Kirchen als positive Realität betrachtet wird und jede Suche nach der Einheit der Kirche als verdächtig erscheint.“

Ein entscheidender Grund für das Fehlen eines gemeinsamen und wirklich tragfähigen Zieles der christlichen Konfessionen in der Ökumene sei die Tatsache, dass „jede Kirche und kirchliche Gemeinschaft ihr spezifisches Konzept von ihrem Kirche-Sein und ihrer Einheit hat und darauf bestrebt ist, diese konfessionelle Konzeption auch auf die Ebene des Zieles der Ökumene zu übertragen“, erklärte Kardinal Koch. Es gebe im Grunde so viele ökumenische Zielvorstellungen, wie es konfessionelle Ekklesiologien gibt.

„Dass sich die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen in der Zwischenzeit zu einer kaum mehr überblickbaren Vielfalt entwickelt haben“, sei ein weiterer Grund für die Vielzahl von ökumenischen Zielvorstellungen und den vermehrt zurückhaltenden Einheitsbemühungen, sagte Koch.

Auch wenn sich „die weltweite Geografie der Christenheit tiefgreifend verändert hat und die ökumenische Situation unübersichtlicher und keineswegs leichter geworden ist“, dränge sich dennoch die Frage nach der Einheit unter den christlichen Konfessionen auf, erklärte der Kardinal. „Ohne Suche nach Einheit würde sich der christliche Glaube selbst aufgeben.“

Eine vorläufige ökumenische Einheit könne heute schon darin bestehen, „die verschiedenen christlichen Gemeinschaften mit ihren Traditionen zu verstehen und aus ihnen zu leben. Keine Kirche ist so arm, dass sie nicht einen unverwechselbaren Beitrag zur größeren Gemeinschaft der Christenheit leisten könnte. Keine Kirche ist aber auch so reich, dass sie nicht der Bereicherung durch andere Kirchen bedürfen würde und zwar in der Überzeugung, dass das, was der Heilige Geist in anderen christlichen Kirchen gesät hat, als ein Geschenk aufzunehmen.“

Um auf die Spur zu kommen, wie ökumenische Einheit zu verstehen sei, liefere die Beschreibung der Jerusalemer Urgemeinde in der Apostelgeschichte eine hilfreiche Definition, sagte Kardinal Koch. Dort werde die Einheit der Kirche „als sichtbare Einheit im Glauben, in den Sakramenten und im Leben der Gemeinschaft mit ihren berufenen Zeugen und damit auch in den kirchlichen Ämtern verstanden“. Die ökumenische Verantwortung bestehe darin, „uns um die Wiederherstellung jener Gemeinschaft leidenschaftlich zu sorgen, dass sie eines Sinnes, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig sind. Weil Christus diese Gemeinschaft so sehr am Herzen liegt, haben wir allen Grund, den ökumenischen Weg in leidenschaftlicher Gelassenheit und in gelassener Leidenschaft weiterzugehen.“

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