Glückliches Händchen für 23 Völker – Karmelitinnen in Witten

Ein Leben in Abgeschiedenheit und Einfachheit führen die Karmelitinnen. Der Wechsel von Gebet und Arbeit zeichnet den Tagesablauf aus. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Schwestern eines ­Karmels selbst – so wie die Schwestern des Klosters „Maria, Vermittlerin aller Gnaden“ in Witten.

Witten. „Heute Morgen ist es noch etwas kühl, deshalb sind nur relativ wenige Tiere unterwegs“, erklärt Schwester Maria Martha das Fehlen des charakteristischen Summens in der Luft, hebt vorsichtig den Deckel von einem Bienenstock und blickt hinein. Ein auf den ersten Blick chaotisches Gewusel herrscht. Doch alles geschieht nach einem Plan, jedes Tier in dem Volk hat seine Aufgabe, der es mit dem sprichwörtlichen Bienenfleiß nachkommt.

Dass die Frau in der Tracht der Karmelitinnen, wie sie lachend erzählt, anfangs Angst vor Bienen gehabt hat, möchte man nicht glauben: Souverän hantiert sie mit den Wabenrahmen, geradezu liebevoll geht sie mit den Tieren um. Bienen gibt es bei den Wittener Karmelitinnen schon seit über 40 Jahren. Als die damalige Kloster­imkerin starb, wurden Maria Martha und eine Mitschwester mit der Nachfolge betraut. Diese Wahl hat sich rückblickend als Glückstreffer herausgestellt. Maria Martha, 1985 kam sie aus Südkorea nach Deutschland, wollte das ihr anvertraute Amt verantwortungsvoll und mit der nötigen Sachkenntnis ausfüllen. Sie belegte 2014 bei der Biologin und bekannten Bienenexpertin Dr. Pia Aumeier einen Anfängerkurs. Dem Einstieg folgten zahlreiche weitere Seminare, sodass die Schwester heute selbst über großes Fachwissen verfügt und mit Pia Aumeier zusammenarbeitet, wenn es um die Weitergabe von Bienenvölkern und Tipps zum Imkern an Jung­imker geht.

„Knapp 500 Kilogramm Honig konnten im vergangenen Jahr gewonnen werden“, berichtete Priorin Schwester Anna Maria. (Fotos: Patrick Kleibold)

„Wir sind autonom und müssen für unseren Lebensunterhalt selbst sorgen“

„Schwester Maria Martha hat ein glückliches Händchen, wenn es um Bienen geht – zum Vorteil von uns allen“, bestätigt Priorin Schwester Anna Maria, denn die Imkerei ist für die Schwestern nicht nur Hobby und sinnvoller Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung. Der Honig, den die aktuell 23 Völker geben, und die Weitergabe von Jungvölkern sind ein wichtiges wirtschaftliches Standbein des Wittener Klosters: „Wir sind autonom und müssen für unseren Lebensunterhalt selbst sorgen“, erklärt die Priorin. Im vergangenen Jahr kamen rund 500 Kilo Honig zusammen. Eine ganze Menge davon wird verschenkt; der emeritierte Erzbischof Hans-­Josef Becker durfte sich beispielsweise ebenso von der Qualität des preisgekrönten Wittener Honigs überzeugen wie Papst Franziskus.

Nachdem die Ernte im vergangenen Jahr wegen der großen Hitze nicht so gut war, hoffen die Schwestern, dass die Bedingungen in diesem Jahr besser sind. „Das Frühjahr war recht kalt, aber jetzt sind die Voraussetzungen ziemlich gut“, blickt Maria Martha optimistisch auf die kommenden Wochen. Beim Schleudern komme es darauf an, die Blüte der Pflanzen­arten im Blick zu behalten: „Nur so gewinnt man sortenreinen Honig.“

Der große Garten am Hang auf der rückwärtigen Seite des Karmels ist geradezu ideal für Bienen – er ist ein wahres Naturparadies mit großen alten Bäumen, vielen Blumen und anderen Pflanzen. Beste Vo­raussetzungen für die fleißigen Tiere. Wer das Kloster besucht, sieht auf der Zufahrtsstraße nur ein einstöckiges langgezogenes Gebäude und den Kirchturm. Erst der Blick von der Gartenseite zeigt die beeindruckenden Ausmaße der 1952 gebauten Anlage. „Für uns ist das natürlich auch eine echte Heraus­forderung“, erklärt die Priorin: „Aktuell leben elf Schwestern hier. Bei der Arbeit im Garten erhalten wir Gott sei Dank die tatkräftige Unterstützung von Ehrenamtlichen.“

Sanftmut im Bienenstock

Die Karmelitinnen führen ein abgeschiedenes und bescheidenes Leben, Besuch gibt es eigentlich nur in einem beschränkten Rahmen. Daran, dass es im Juni und Juli bei der Weitergabe der Jungvölker manchmal zugeht wie im sprichwörtlichen „Bienenstock“, haben sich die Mitschwestern von Maria Martha gewöhnt. Viele der jungen Imkerinnen und Imker, die die Völker abholen, bringen ihre Familien mit. Die Schutzkleidung, die die meisten von ihnen anlegen, erweist sich dabei schnell als unnötig. Die Frau mit dem Schwesternschleier erklärt, dass diese Art der Vollverschleierung beim Umgang mit Bienen aus ihrer Zucht übertrieben ist: „Die Völker, die ich weitergebe, zeichnen sich durch ihre Sanftmut aus“, sagt die Schwester lächelnd und fügt hinzu: „Beim Umgang mit Bienen sollte man keine Angst haben müssen, sonst ist das keine gute Voraussetzung für die Imkerei.“

Wenn Maria Martha dann ohne Schutzkleidung einen Bienenkasten öffnet und sich die Tiere über die Hand krabbeln lässt, sind die Neu-­Imker schnell überzeugt, dass sie genau an der richtigen Adresse gelandet sind. „Die Kinder sind besonders von unserem Garten begeistert“, berichten die beiden Schwestern. Für die meisten jungen Imkerinnen und Imker ist das Zusammentreffen mit einer ausgewiesenen Expertin eine gute Gelegenheit, Fragen zu stellen und sich Ratschläge geben zu lassen.

Und manchmal entwickelt sich aus der Fachsimpelei und dem Erfahrungsaustausch über Bienen, Waben und Honig eine besondere Form der Seelsorge. Schwester Anna Maria: „Die Menschen sind an unserer für sie doch recht exotischen Lebensweise interessiert, viele haben Fragen.“ So entstünden im wahrsten Sinne des Wortes manchmal Gespräche über „Gott und die Welt“.

Hostienbäckerei ist ein weiterer Wirtschaftszweig der Karmelitinnen

Schwester Margarita arbeitet in der Hostienbäckerei, einem weiteren wirtschaftlichen Standbein der Schwestern. (Fotos: Patrick Kleibold)

Wer das imposante Klostergebäude von der Gartenseite betrachtet, stellt sich unwillkürlich die Frage, was in den Räumen – abgesehen von den Zimmern der Schwestern – sonst noch Platz findet. Die Hostienbäckerei zum Beispiel, ein weiterer Wirtschaftszweig der Wittener Karmelitinnen. Die Schwestern, die dort arbeiten, sind auf ihrem Gebiet ähnliche Expertinnen wir Maria Martha in Sachen Bienen. Schwester Margarita – im Übrigen auch Imkerin – ist eine von ihnen. Alles läuft nach einem festen Schema ab, von der Anlieferung der Mehlsäcke bis zum Versand der Hostien. „Wir frankieren selbst, das macht diesen Bereich einfach.“

Die Auslastung sei gut, bestätigt die Priorin: „Andere Klöster haben ihre Hostienbäckereien aufgegeben, entsprechend viel haben wir zu tun.“ In einer automatisierten Anlage werden quadratische Platten gebacken. Die Mechanik der Maschine ist faszinierend und wirkt wie für die Ewigkeit gemacht. Anschließend werden die Platten übereinandergeschichtet, damit daraus die runden Hostien ausgestanzt werden können. Eine Aufgabe, die große Konzentration erfordert. Motiv­hostien für Priester werden ebenfalls gebacken. „Da gibt es wieder eine größere Nachfrage“, freut sich die Priorin und fügt hinzu: „Gott sei Dank hatten wir die Formen eingelagert und konnten sie jetzt wieder aktivieren.“ Dort wird – wie in einem großen Waffeleisen – der Teig von Hand eingefüllt und nach dem Zusammenpressen gebacken.

Ein weiteres Standbein der Karmelitinnen

Dann läutet es an der Tür. Eine Frau möchte eine Kerze abholen. Das ist der Wirkungs­bereich von Schwester Elisabeth und das dritte wirtschaftliche Standbein des Karmels: die Kerzenwerkstatt. Die Kundin ist sehr zufrieden, als sie die Kerze in den Händen hält. Vorsichtig wird sie eingepackt, bald wird sie bei einem besonderen Anlass leuchten.

Die Auswahl zeigt, dass hier eine echte Künstlerin am Werk ist: Nur ein Teil der Verzierung wird aufgeklebt, der Großteil der Motive wird mit flüssigem Wachs aufgemalt. Ein Vorgang, der neben Kreativität viel Geschick und Erfahrung erfordert. Kein Wunder, dass Schwester Elisabeth neben Kommunion­kerzen und anderen Stücken auch immer wieder individuelle Kerzen gestaltet, zum Beispiel für eine Primiz. Die Kerze für Neupriester Philipp Neumann, der am Samstag vor Pfingsten die Weihe empfangen hat, stammt auch von ihr. Sein Porträt­foto wird sich bald zu den zahlreichen anderen in einem Ordner gesellen, in dem Schwester Elisabeth diese ganz besonderen Aufträge archiviert.

Jetzt steht das Mittagsgebet an und es ist Zeit für den Abschied von diesem ganz besonderen Ort. Morgen früh werden die Schwestern nach der Eucharistiefeier um 7.30 Uhr und dem anschließenden Frühstück wieder an die Arbeit gehen, immer im ausgewogenen Wechsel mit dem Gebet. Und vielleicht wird Schwester Maria Martha den Anruf eines Jung­imkers erhalten, der sich mit einer Frage oder einem Problem an die Bienen­expertin der Wittener Karmelitinnen wendet.

Info

Der Karmelitenorden entstand gegen Ende des 12. Jahrhunderts auf dem Berg Karmel in Palästina, an der Quelle des Propheten Elija, in der Nähe eines Marienheiligtums. Die Marienverehrung bildet einen wesentlichen Teil der Karmelspiritualität. 1452 wurde der Orden offiziell anerkannt. Der Wittener Karmel geht auf die 1933 von Köln aus in Breslau-­Pawelwitz entstandene Neugründung zurück. Im Krieg 1941 mussten die Schwestern dieses Kloster verlassen. Fünf Jahre lebten sie in Breslau in Notunterkünften. 1946 kamen sie als Vertriebene nach Westdeutschland, das neue Kloster in Witten wurde ab 1952 gebaut. Heute leben weltweit in 870 Klöstern über 12 000 Schwestern.

Text: Andreas Wiedenhaus
Fotos: Patrick Kleibold

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