„Gott ist Vater und Mutter“ – Interview mit Katharina Brechmann zur Fastenzeit

Fastenzeit

„Wie hältst du es mit der Religion?“, fragt das Gretchen den Dr. Faust. In Zeiten der Kirchenkrise fragen wir in der Fastenzeit bei Menschen der Kirche nach und beginnen mit Katharina Brechmann, der kfd-­Diözesanvorsitzenden. Mit Katharina Brechmann sprachen Claudia Auffenberg und Andreas Wiedenhaus.

Frau Brechmann, gibt es im Glaubensbekenntnis einen Vers, der Ihnen schwer über die Lippen kommt?

Katharina Brechmann: „Ja, nämlich: ‚Ich glaube an die heilige katholische Kirche.‘ Da passiert es schon, dass ich den nicht mitbete. Vorher geht es ja um den Heiligen Geist und danach um die Gemeinschaft der Heiligen, das kann ich gut mitbeten.“

Was ist Ihr Problem mit diesem Vers?

Katharina Brechmann: „Bei den Heiligen geht es um Menschen wie wir, die für ihren Glauben gelebt und manche sogar gestorben sind. Aber heilige katholische Kirche – puh – das ist im Moment doch schwer zu verdauen. Sicher ist vieles, was in der Kirche geschieht, heilsam, aber heilig finde ich etwas überhöht. Im Moment jedenfalls fällt es mir schwer, das auszusprechen.“

Aber Sie sind doch selbst ein wichtiger Teil dieser Kirche.

Katharina Brechmann: „Stimmt! Eigentlich könnte man sich selbst miteinbeziehen, aber komischerweise tut man das ja nicht. Das wäre durchaus ein neuer Aspekt, über den man nachdenken kann.“

Seit wann sind Sie katholisch?

Katharina Brechmann: „Seit meiner Taufe, also seit dem 31. Januar 1960. Ich habe noch einen Zwillingsbruder, der die Nottaufe im Krankenhaus empfangen hat. Uns taufen zu lassen, war unseren Eltern wichtig und es hätte damals niemand hinterfragt, es war selbstverständlich.“

[…]

Haben Sie auch Kontakte zu Leuten, die nicht zum inneren Zirkel gehören, zu Nichtkatholiken?

Katharina Brechmann: „Ja, klar! In meinem Bekanntenkreis sind einige sogenannte U-Boot-­Christen, die nur mal hier und da auftauchen. Gibt es Diskussionen, betreffen sie meist die aktuelle Situation in der Kirche, weniger geht es um den Glauben. Viele junge Leute in meinem Umfeld leben mit Überzeugung christliche Werte in ihren Beziehungen und sind vielfach der Meinung, dass sie die Kirche als Institution nicht brauchen.“

Woran merken Ihre Bekannten, dass sie es bei Ihnen mit einer engagierten Katholikin zu tun haben?

Katharina Brechmann: „Sie nehmen in der Presse und den sozialen Medien wahr, wenn dort über den kfd-­Diözesanverband berichtet wird. In unserer Gemeinde gibt es seit 30 Jahren Frühschichten in der Fastenzeit, die ich mit vorbereite. Und wenn die angekündigt werden, da kommen viele, die nicht unbedingt Kirchenbesucher sind. Für diese Frühschichten bin ich eines der Gesichter und werde darauf angesprochen.“

War es für einen anderen Menschen mal von Bedeutung, dass Sie gläubig sind?

Katharina Brechmann: „Ja, da wo Freunde und Freundinnen mit dem Tod in Berührung kommen, etwa wenn ein Elternteil gestorben ist. Da kommen ganz andere und tiefere Gespräche auf.“

Und was können Sie dann diesen Freunden bieten?

Katharina Brechmann: „Zuhören, da sein und davon erzählen, dass ich ganz fest an eine Kraft glaube, die da ist, die hilft und unterstützt. Es gab verschiedene Situationen in meinem Leben, zu denen ich sagen kann: Da spürte ich die Geistkraft Gottes. Es boten sich Lösungen an, wo ich Fragen hatte oder ich wurde gestärkt in Momenten, in denen ich Angst hatte und es mir schlecht ging. Das lässt sich schwer in Worte fassen. Es ist ein Gefühl der Geborgenheit und des Getragen-sein.“

Haben Sie eine Vorstellung von Gott? Wer oder was ist Gott für Sie?

Katharina Brechmann: „Die Bibel erzählt die Geschichte vom brennenden Dornbusch, in der Gott zusagt: Ich bin immer für dich da. Wenn ich da­rauf vertrauen kann, spüre ich es auch. Nicht nur in traurigen Situationen, sondern auch wenn ich mich freue. Gott ist für mich längst nicht mehr der alte Mann mit dem weißen Bart. Dieses Bild aus Kindertagen habe ich schon lange abgelegt. Gott ist für mich Vater und Mutter. Ich teile meine Momente der Freude oder der Fragen und Sorgen und Zweifel im Sprechen mit Gott.“

Was heißt das: Ich teile?

Katharina Brechmann: „Ich spreche das einfach für mich aus. Mein Mann und ich erfahren gerade ein ganz großes Glück. Wir sind dreimal Großeltern geworden. Ein Enkelkind ist im September geboren. Zwei Enkelkinder in diesem Februar. Da sage ich oft „Danke!“ Kinder sind doch nicht nur etwas Biologisches, da steckt eine große Kraft dahinter, die Leben beginnen lässt. Ein Jahr nach dem Tod meiner Mutter ist unser Sohn geboren und er sieht ihr sehr ähnlich. Und ein Jahr nachdem mein Vater gestorben ist, ist unsere Tochter geboren, genau am Geburtstag meiner Mutter. Für mich ist das kein Zufall, es sollte so sein.“

Helfen Ihnen biblische Geschichten oder christliche Texte, Lieder oder Gebete, um das gewissermaßen im Nachhinein zu deuten oder zu verstehen? Anders gefragt: Finden Sie sich mit Ihren Erfahrungen darin wieder?

Katharina Brechmann: „Ja, sehr häufig. Mir helfen gute Auslegungen, Priester, die das für mich ins Heute, in unsere Lebenswirklichkeit holen. Im Laufe meines Lebens bin ich Gott sei Dank einigen begegnet, die das konnten. Das hat meinen Horizont erweitert und mich mit Frauen aus der Bibel verbunden. Die Frau am Jakobsbrunnen etwa, mit der Jesus eigentlich nichts zu tun hat, stellt mir die Frage: Wie geh ich denn mit Fremden um? Diese Geschichte lehrt mich Toleranz und Weite, das ist eine Spur, die aus der Bibel in mein Leben gelegt ist. In unserer Jugendzeit erinnere ich mich an den damaligen Präses der Landjugend, W. Pohlmann. Er hat uns die jesuanische Kirche erleben lassen mit Gottesdiensten im Wald mit selbst gebackenem Brot, dazu Kelchkommunion für alle – das macht was mit einem. Die KLJB hat uns damals Glauben an AndersOrten ermöglicht. Wir haben nächtelang diskutiert an Lagerfeuern in Zelten und Jugendheimen. Das hat mich geprägt und mir Mut gemacht, immer wieder neue Wege zu gehen. Es ist mir sehr wichtig zu erwähnen, in der kfd erlebe ich immer wieder Frauen mit Mut machenden Glaubenszeugnissen, die sie mit großer Freude teilen und in die Welt tragen.“

[…]

Haben Sie in den letzten Wochen über einen Kirchenaustritt nachgedacht?

Katharina Brechmann: „Ja, klar! Immer wieder. Es ärgert mich einfach so vieles. Wenn wir nicht solche Aktionen wie „­#­Out­In­Church“ gehabt hätten, wären wir nicht so weit, wie wir jetzt sind. Ich habe immer schon gesagt: Gut, dass ich in der kfd bin. Das ist mein Glaubensort. Und meine andere Devise ist: ­Auftreten statt ­austreten. Credo heißt „Ich glaube“ und ich kann und möchte mein Glaubenszeugnis drinnen geben. Also, nachgedacht habe ich, aber ich würde es nicht machen.“

Das vollständige Interview zur Fastenzeit finden Sie in der aktuellen DOM-Ausgabe.

Zur Person

Katharina Brechmann (62) wurde 2008 von den Delegierten der Diözesan­versammlung in den Vorstand des kfd-­Diözesan­verbandes gewählt, heute nennt sich das Gremium Diözesanleitungsteam. Seit 2012 gehört sie zum geschäftsführenden Vorstand des kfd-­Diözesanverbandes, seit 2016 ist sie Vorsitzende.Peter Janssens (Mitte) bei einem Auftritt 1976. Seine Sacro-Pop-­Lieder, sagt Katharina Brechmann, „waren ein Befreiungsschlag für uns Jugendliche“. Foto: KNA

Interviewreihe in der Fastenzeit

„Wer soll das noch glauben?“ heißt unsere Interview-­Reihe in der Fastenzeit. Die Kirchenkrise bringt viele Menschen, vor allem ältere, ins Nachdenken: Was hat man uns früher in der Kirche, etwa in der Christenlehre erzählt? Stimmt das eigentlich alles? Dabei geht es nicht nur um Kirchengebote, die aus heutiger Sicht nicht mehr nachvollziehbar sind, wie etwa das Nüchternheitsgebot, sondern auch um wesentliche Glaubensinhalte. Bücher gibt es zu alldem genug. Wir fragen in der Fastenzeit nach bei Menschen, die ehrenamtlich für diese Kirche stehen.

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