Gott und der Esel
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Der Sohn Gottes auf einem Esel – eine Provokation für alle „Macht-haber“.
von Laetitia Eberle
Palmsonntag – Auftakt zur Karwoche: In keiner anderen Woche im Kirchenjahr liegen Tod und Leben, Jubel und Trauer so dicht beieinander. Einem Wechselbad der Gefühle werden wir in der Liturgie ausgesetzt. Wir singen Hosanna und wenige Tage später vergegenwärtigen wir uns das Leiden und Sterben Jesu. Das gilt es auszuhalten, bis uns am Ostermorgen die erlösende Auferstehung verkündet wird. Ein hoffnungsvolles Bild für unser Leben, in dem wir manchen Schmerz erleiden, in dem wir an einigem, was wir eigentlich lassen könnten, festhalten. Vielgestaltige Nöte kann man erst einmal nur zulassen und aushalten und man kann sie Gott hinhalten. Wie dem auch sei: Was wir in Gottes Hände legen, kann unser gewohntes Denken durchbrechen und uns ganz neue Perspektiven, innere Freiheit und Heilung eröffnen.
Viele Menschen in Jerusalem tragen diese Hoffnung auf Befreiung in sich. Sie bereiten Jesus einen begeisterten Empfang. Die politische Situation im Zentrum der religiösen wie politischen Macht ist spannungsvoll. Ein Mann, der friedfertig mit einem genauso friedliebenden Esel einzieht, muss für die Menschen eine Provokation gewesen sein. Die einen rufen ihm fröhlich zu, andere nehmen in ihrem Denken den Widerstand gegen ihn schon vorweg.
Vielleicht sind einige Menschen begeistert, weil sie sehen und spüren, er bewegt alle, auch seine Gegner, anders zu denken und zu handeln, als sie es üblicherweise tun. Von manchen von ihnen wissen wir, dass sie diese Chance nicht ergriffen haben. Sie sind in ihren alten Mustern geblieben. Sie haben nicht begriffen, dass ihnen hier innerer Friede angeboten wird, der sich nach außen hin entfalten wird.
Diesen Frieden symbolisiert allein schon ein Esel, der geduldig da ist und nicht wegläuft; der Esel, den sich Jesus bringen lässt. Er zieht nicht mit Rossen und Wagen in Jerusalem ein. Er kommt mit einem jungen, sehr empfindsamen, klugen und treuen Tier und zeigt damit an, dass er ein König ist, dem jeder kriegerische Zug fehlt. Er ist nicht der neue politische Machthaber, als der er mitunter erwartet wurde. Die biblische Geschichte lehrt uns: Wer sich in bescheidener Haltung auf einen Esel setzt statt auf ein hohes Ross, der braucht viel Mut und Durchhaltevermögen. Aber er bringt den Frieden – vielleicht gerade noch bejubelt, bald verurteilt und „hingerichtet“.
Der heilige Augustinus fragt sich, was es dem Herrn wohl bedeutet, König der Menschen zu sein. Und er kommt zu der Antwort: „König Israels ist Christus ja nicht, um Steuern einzutreiben oder ein Heer mit Waffen auszurüsten und sichtbar Feinde zu besiegen. Er ist vielmehr König Israels, weil er die Herzen lenken, weil er ihnen zum ewigen Leben verhelfen, weil er die Glaubenden, Hoffenden und Liebenden ins Himmelreich führen will.“
Macht ist immer eine Ermächtigung für einen Dienst, auch wenn sie oft mit einer herausgehobenen Stellung verbunden ist. Macht im Sinne einer Beauftragung haben wir den ganzen Tag über und wie subtil wird sie oft missbraucht, gerade auch durch scheinbar schwache Menschen. Machtmissbrauch kann ebenso der Umgang mit der Schöpfung sein, deren Zerstörung durch einen rücksichtslosen Ressourcenverbrauch hingenommen wird.
In einer Fabel zum Palmsonntag heißt es aus der Sicht des Esels: „Jünger Jesu banden mich los und brachten mich zu ihm. Und da war es nicht die teuflische Peitsche, es waren Worte der Liebe, die mich dazu brachten, mit Jesus weiterzugehen.“ Ich frage mich: Was in mir binde ich los und übergebe es Jesus, dem Friedensfürst, der mich durch alle Karfreitage meines Lebens hindurch bis zu meinem persönlichen Osterfest begleitet?
Zur Autorin:
Sr. Laetitia Eberle ist Augustiner Chorfrau und Prokuratin des Michaelsklosters in Paderborn.