09.09.2016

Gottes VIPs

Bitte einsteigen! Gottes VIPs sind … wir! Foto: dpa

Gott ist es, der in seiner Sehnsucht nach uns jeden Menschen wichtig werden lässt.

von Maren Gödde

Kennen Sie das auch, dieses Gefühl, wenn man etwas verloren hat? Man kann es nicht glauben, stellt alles Mögliche an, um es wiederzufinden. Viele von Ihnen wissen sicher, dass in solchen Situationen ein Gebet zum heiligen Antonius helfen kann, damit der verlorene Gegenstand wieder auftaucht. Und kennen Sie das auch: Diese Erleichterung, wenn der Schlüssel, das Dokument, das Portemonnaie wieder auftaucht?

Neulich war ich auf einem großen Markt – plötzlich lief ein kleines Mädchen dort umher und rief nach seiner Mutter, die jedoch offenbar nicht in greifbarer Nähe war. Das Mädchen setzte sich ins Gras und weinte. Ich habe sie angesprochen und mich gemeinsam mit ihr auf den Weg gemacht, ihre Mama zu suchen, wohl ahnend, dass die Mutter der Kleinen sehr in Sorge nach ihrem Kind suchen würde. Die Suche nach der Mutter blieb erfolglos und so habe ich sie am Infopoint abgegeben. Als ich mich gerade entfernen wollte, sah ich eine in Panik geratene Frau und wusste sofort: Das ist die Mutter. Diese Erleichterung, als ich ihr sagte, dass ich ihre Tochter gerade zum Infopoint gebracht habe und diese noch größere Freude, als die Mutter ihre Tochter in die Arme schloss!

Im Evangelium erzählt uns Jesus ein Gleichnis, bei dem es darum geht, Verlorenes wiederzufinden. Es geht um eine Schafherde von 100 Schafen – eines von ihnen ist verloren gegangen. Und was tut der Hirte? Er lässt 99 Schafe zurück und sucht das eine. Man könnte meinen: Er hat doch 99, auf eins mehr oder weniger kommt es da nicht an, aber nein: Er sucht das eine, bis er es gefunden hat. Übertragen auf uns heißt das: Gott macht sich auf die Suche nach jedem Einzelnen von uns – vor allem nach denen, die sich von ihm entfernt haben, die einen anderen Weg eingeschlagen haben. Gott hat Sehnsucht nach uns – er sehnt sich danach, mit mir in Kontakt zu sein. Wenn ich vom Weg abkomme, dann sucht er mich mit der gleichen Sorgfalt, wie ich einen verlorenen Schlüssel suche und er freut sich so sehr, wie sich eine Mutter freut, die ihr Kind wieder in die Arme schließen kann, wenn er uns gefunden hat.

In einer Zeit, in der der Eindruck entstehen kann, dass das Individuum nicht so wichtig ist, in der die Arbeitskraft im Vordergrund steht und derjenige, der nicht genug leisten kann, einfach ausgetauscht wird; in einer Zeit, in der viele Menschen darunter leiden, dass sie zunehmend vereinsamen, dass die Welt immer anonymer wird und jeder sich selbst der Nächste ist, ist dies doch eine unglaubliche Zusage Gottes: „DU bist mir wichtig! Und wenn du nicht mehr bei mir bist, so suche ich dich! Ich habe Sehnsucht nach dir!“ Jeder ist bei ihm sozusagen ein VIP, eine very important person (sehr wichtige Person). Er macht keine Unterschiede zwischen den Menschen, die ihm nahe sind, die ihren Weg mit ihm gehen und denen, die ab und an Um- oder Irrwege gehen.

Wie schnell urteilen wir über Menschen, die in unseren Augen etwas nicht richtig machen, die offensichtlich gottlos leben, die anders sind … Ein prominenter VIP wird behandelt, als wenn er oder sie das Wertvollste auf der Welt wäre. Bei Gott sind wir alle VIPs und jeder wird gut behandelt – nicht als wenn wir das Wertvollste auf der Welt wären, sondern weil wir das Wertvollste auf der Welt sind! Begegnen wir so auch unseren Mitmenschen! Ob sie in unseren Augen „richtig“ leben und handeln oder nicht. Das ist wirklich christlich. Und freuen wir uns über jeden, der sich von Gott finden lässt. Er sucht auch uns, wenn wir verloren gehen!

Maren Gödde ist Referentin für spirituelle missionarische Jugendpastoral in der Abteilung Jugendpastoral des Erzbistums Paderborn.

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