Groß sein im Dienen
Ein Dienst kann Freude machen: Czeslawa Krzak (l.) hilft in der Mindener Wärmestube beim Kartoffelnschälen, zur Freude von „Stammgästin“ Renate Kosmehl. Foto: Jonas
Amt und Auftrag im Namen Jesu sind auf Dienen angelegt.
von Monika Lipsewers
Wer kennt das nicht? Da beansprucht jemand seinen Platz. Oder jemand fordert in einer Rede die Deutungshoheit. Oder einer sieht sich genötigt, auf die eigenen Verdienste hinzuweisen, herauszustreichen, was die anderen weniger gut oder sogar schlecht machen in Schule und Beruf. Im privaten und beruflichen Bereich dürfte das eher weniger erforderlich sein. Nicht gemeint ist die angemessene Vorstellung im Bewerbungsgespräch oder die gesunde Selbstbehauptung. In der Politik ist es vielleicht nötig, um die Ideen der eigenen Partei oder Weltanschauungen voranzubringen. Aber auch da täte es gut, das heutige Evangelium aufmerksam zu hören.
Nur allzu menschlich, diese beiden Brüder, Jakobus und Johannes im Evangelium! Sie wollen die besten Plätze ergattern. Steckt das nicht ein wenig in jedem von uns? Die Jünger stellen sich das Reich Gottes, über das Jesus predigt, wie einen Staat vor, in dem es „Ministerposten“ an der Seite des „Chefs“ gibt. Das wäre nicht schlecht, dann endlich Einfluss nehmen und gegen die Besatzer vorgehen zu können. Für die anderen Jünger ist das Verhalten von Jakobus und Johannes einfach nur peinlich und ärgerlich. Diese Reaktion deckt auf, dass auch sie die Maßstäbe des Gottesreiches noch nicht verinnerlicht haben.
Jesus holt sie ab und zeigt sich offen für die bittenden Jünger: „Was soll ich für euch tun?“ So fragt er oft die Menschen, die mit der Bitte um Heilung oder Auferweckung eines Toten zu ihm kommen. Er schaut und hört genau hin, sieht tiefer in das Innere der Hilfesuchenden. Der Meister erkennt das fehlende Verständnis für die Besonderheit der göttlichen Sphäre.
Um einen Platz zur Rechten Jesu im himmlischen Reich zu erhalten, führt der Weg über die Zeugenschaft, durch das Martyrium. Noch ahnen die Jünger nicht, was ihnen bevorsteht, wenn sie ihrem Meister und Herrn die Treue halten wollen: der Kelch des Leidens oder die Bluttaufe. Jesus muss die Jünger über die Andersartigkeit des Reiches Gottes belehren. Dort gelten andere Maßstäbe: statt Machtausübung über Menschen, Dienst am Menschen. Nicht das Machthaben ist die Maxime, sondern einander zu dienen, ja sogar Sklave aller zu sein. Im Reich Gottes stehen also alle Machtverhältnisse auf dem Kopf. Das können die, die Jesus nachfolgen wollen, schon heute praktizieren.
Konnten Sie das schon einmal an Christen ablesen? Fallen Ihnen Beispiele ein von Menschen, die groß sind durch den Dienst am anderen? Menschen, die das Potenzial für einen herausragenden Platz hätten, sich aber mit viel Aufmerksamkeit den Kleinen und Unbedeutenden widmen, sich einfühlen können. Ich denke da u. a. an Papst Franziskus mit seinem aufmerksamen Auge für Randgruppen der Gesellschaft. Oder an den Bischof in Südamerika oder in der Südsee, der sich für die Rechte der Slumbewohner einsetzt oder sich um Behinderte kümmert. Aber auch in der Nachbarschaft oder im Bekanntenkreis entdecke ich Menschen, die nicht die vordersten Plätze beanspruchen, sondern Dienste oft unerkannt im Kleinen tun und solidarisch sind mit den Menschen, die nicht die vordersten Plätze einnehmen – den Obdachlosen, Armen, Heimatlosen, Kranken, Behinderten, Alten. Sie schielen nicht auf den herausgehobenen Platz, auf den gesellschaftlichen Stand, der Beachtung mit sich bringt.
Der Abschnitt aus dem Markusevangelium gipfelt in Jesu Aussage über sich selbst: Er will sich nicht bedienen lassen, sondern uns dienen, im Letzten durch die Hingabe seines Lebens für die vielen. Für jeden Menschen hat er Leiden und Tod auf sich genommen. Dafür und für seine Auferstehung danken wir am Sonntag in der Eucharistiefeier. Dann bedient uns Jesus Christus am Tisch des Wortes und am Tisch des Brotes im Kreise derer, die mit uns glauben. Gottesdienst ist also nicht nur unser Dienst vor Gott, sondern auch Gottes Dienst an uns. Wir rufen uns in Erinnerung, was Jesus für uns getan hat und nehmen teil an seiner erlösenden Tat. Schon jetzt tauchen wir in das Leben ein, das uns – in vollendeter Weise – in der Ewigkeit erwartet. Das ist für mich Grund genug, den Sonntag dankbar in der heiligen Messe mit der Gemeinde zu feiern.
Zur Autorin: Monika Lipsewers ist Sekretärin im Erzbischöflichen Priesterseminar und für die Fortbildung des pastoralen Personals zuständig.