16.11.2017

„Grünes Sterben“

Manche Menschen möchten „ökologisch wertvoll“ beigesetzt werden. Foto: KNA

Bonn (KNA). Friedwald, Ruheforst oder Auengarten: Wer seine letzte Ruhe inmitten der Natur finden möchte, steht heute vor einem breiten Angebot. Das Interesse am „grünen Sterben“ wächst, beobachtet etwa die Verbraucherinitiative Aeternitas. Bestattungen in der Natur werden in Deutschland seit 2001 angeboten.

von Paula Konersmann
und Leticia Witte

Viele Interessenten möchten allerdings nicht nur naturnah begraben sein, sondern die Natur über den Tod hinaus schonen. Eine Möglichkeit dafür sind Bio-Urnen, die sich innerhalb weniger Monate zersetzen. Über die Hälfte der Verstorbenen in Deutschland hat sich inzwischen zu Lebzeiten für eine Einäscherung entschieden. Kritiker sehen gerade in dieser wachsenden Zahl eine massive Umweltbelastung. Energie werde verbrannt, und die Stoffe, die in der Asche blieben, gelangten später in die Urnen – und damit in die Erde, so der Verband für Gedenkkultur.

Auch bei den Urnen selbst sollten Hinterbliebene darauf achten, dass ihnen tatsächlich „öko“ angeboten werde. „Die Verheißung an sich reicht nicht aus“, betont der Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, Oliver Wirthmann. Hier fragten Menschen, die in erster Linie mit ihrer Trauer beschäftigt seien, oft nicht gründlich genug nach. Es gebe beispielsweise Urnen aus Holz, Filz und Metall mit einer Legierung, die im Erdreich schnell zersetzt werde. „Grundsätzlich ist dieser Trend zu begrüßen“, sagt Wirthmann. Er werde in Zukunft eher eine noch größere Bedeutung bekommen.

Ganz neu sei das steigende Umweltbewusstsein aber nicht: Schon lange müsse – festgelegt durch Verordnungen in den Bundesländern – bei Bestattungen auf ökologische Aspekte geachtet werden. So dürften beispielsweise keine Kunstfasern verwendet oder Smartphones als „Grabbeigabe“ in den Sarg gelegt werden – auch, wenn Angehörige das wollten. „Der Tod ist oft ein Tabuthema“, so der Experte. Daher greifen Angehörige seiner Erfahrung nach zu „Labels“, die ihnen vertraut seien. Eines davon sei Ökologie.

Manche Bestatter reagieren mit speziellen Angeboten. Das Bonner Bestattungshaus Heben­streit & Kentrup etwa wirbt mit der „Grünen Linie“: Grabmale aus regionalem Naturstein, jahreszeitlich orientierten Blumenschmuck oder Trauerkarten auf Naturpapier können Interessierte hier erhalten. „Der letzte Fußabdruck kann auch grün sein“, lautet der Werbeslogan. Andere Unternehmen stellten zuletzt „pflegefreie“ Gräber vor, die über Sensoren bewässert werden.

Nach Einschätzung von Stadtplanern werden auch traditionelle Friedhöfe zunehmend als Naturräume in den Blick genommen. Tiere und Pflanzen könnten sich dort entfalten, trauernde Menschen innehalten und Trost finden. Aber eben nicht nur die: Ein Forschungsprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) ergab 2014, dass Friedhöfe „eine ruhige Alternative zu stark frequentierten öffentlichen Parks“ seien. Besucher nutzten die Stille auch, um zu lesen, zu walken oder sich auf Bänken zu sonnen.

Diese Nutzung von Friedhöfen für Freizeitzwecke nimmt demnach zu, „je näher sie an Wohngebiete grenzen und eine fußläufige Erreichbarkeit gegeben ist“. Für Städte und Gemeinden könnte darin eine Chance liegen: Rund 75 Prozent der für die Studie befragten Friedhofsverwaltungen erklärten, es gebe bereits gezielte Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt, beispielsweise Nist- und Bruthilfen für Vögel. Allerdings, so das Fazit des Projektleiters Martin Venne, seien Friedhöfe noch nicht selbstverständlich in die sogenannte Grünordnungsplanung vieler Verwaltungen integriert.

Auch bei den Bestattungsformen gibt es – bei aller gesellschaftlicher Offenheit für Neues – Grenzen. Die sogenannte Promession ist in Deutschland beispielsweise nicht erlaubt. Dabei werden Leichname mit Stickstoff und Gefriertrocknung in ein Granulat verwandelt, das sich in der Erde schnell abbaut. Nach Einschätzung Wirthmanns wird dieses Verfahren „auch auf lange Sicht nicht in Deutschland erlaubt werden“. Auch Tote hätten eine Würde und sollten nicht einfach „kompostiert“ werden. „Man darf nicht immer nur fragen, was technisch möglich ist, sondern auch, was ethisch ist.“

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