14.08.2019

Heidis „Ja“

Foto: FlowerLover / pixelio

Versuchen wir, die Sache ernst zu nehmen, schließlich geht es um das Versprechen zweier Menschen, lebenslang für ei­nander da zu sein. Also: Heidi Klum hat geheiratet.

von Claudia Auffenberg

Nähere Details zu Hochzeitskleid, Speisekarte, Gästeliste und innerfamiliären Zankereien im Hause Klum entnehmen Sie bitte beim nächsten Arzt- oder Friseurbesuch der einschlägigen Fachpresse, wir konzen­trieren uns hier auf den religiösen Aspekt des Spektakels: die Rolle des Bräutigam-­Bruders Bill Kaulitz. Er nämlich leitete in schwarzer Soutane die Zeremonie, behängt mit einer Stola, auf der das Logo ULC prangte. Dies steht für Universal Life Church, eine Organisation, die es auch in Deutschland gibt, zumindest gibt es eine Internetseite in deutscher Sprache und eine Reihe von Ansprechpartnern. Für NRW finden sich Pastor Sebastian Schlinkheider, Pastor Jörg Peter Böhmer und – Achtung! – Inquisitor Heiko Zöllner.

Minister, also Priester, dieser Kirche zu werden, ist recht unkompliziert, man braucht nur ein Internetformular auszufüllen. Dort muss man nicht nur die einschlägigen Daten von sich eintragen, man kann auch angeben, welchen religiösen Titel man für sich wünscht. Über etwaige Kosten ist dort nichts zu finden.

Das alles klingt für unsereins natürlich ziemlich albern und auch Heidi Klum ist ja bislang nicht durch kluge und reflektierte Beiträge zur Lage der Nation aufgefallen. Aber wenn man den Rahmen mal größer zieht, wenn man sozusagen durchs Weitwinkelobjektiv schaut, dann kommen noch folgende Aspekte ins Bild: Die Zahl kirchlicher Trauungen nimmt zwar seit zehn Jahren sanft ab, aber seit 2013 ist der Trend relativ stabil, im vergangenen Jahr gab es sogar etwas mehr Trauungen als 2017. In der katholischen Kirche wird um den Segen für Homosexuelle gestritten, es gibt also bei gleichgeschlechtlichen Paaren den Wunsch danach. Und dann meldete die Lokalpresse dieser Tage die kirchliche Trauung des Unternehmerpaares Ulrike und Albert Detmers, Inhaber der Großbäckerei Mestemacher. Beide sind schon seit 44 Jahren standesamtlich verheiratet, haben aber in der Post-1968er-Phase auf die kirchliche Trauung verzichtet. Nun wollen sie diese aus Dankbarkeit für ihr bisheriges Lebens nachholen.

Niemand in der westlichen Welt ist gezwungen, wichtige Momente seines Lebens irgendwie liturgisch oder religiös zu zelebrieren. Aber viele tun es. Auch Heidi Klum und Tom Kaulitz hätten sicher einen Priesterdarsteller gefunden; der wenn auch kurze und obskure Umweg über die ULC wäre nicht nötig gewesen. Aber wir versuchen ja, die Sache ernst zu nehmen: Vielleicht steckt doch irgendwo unter dem ganzen Klum’schen Tüll die Ahnung davon, dass das Leben eine Tür mehr hat. Oder zumindest die Sehnsucht nach dieser Ahnung.

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