18.12.2015

Heil(ig) oder Unheil(ig)? – Das ist hier die Frage!

Heilige Familie mit dem Vögelchen, Bartolomé Esteban, um 1650. Foto: picture-alliance

Gott nimmt in seinem Sohn teil und hat Inter-esse an unserem Leben, wie es auch immer sein mag.

Maria ist schwanger, aber nicht von ihrem Verlobten. Josef steht zu ihr und ihrem unehelichen Kind. Die drei fliehen vor dem tyrannischen König nach Ägypten. Der Sohn bereitet seinen Eltern einige Sorgen, z. B. als er als Zwölfjähriger für einige Tage verschwindet. Was ist daran festlich? Was ist da heilig? Was ist daran typisch familiär? Ist dieses im Jahre 1920 durch Papst Benedikt XV. eingeführte ‚Fest der hl. Familie‘ noch zeitgemäß? Wohl kaum als idyllisches, glorifizierendes und romantisches Vorbild für das sich seit Jahrzehnten wandelnde Familienbild mit seinen veränderten Vorstellungen von Vater- und Mutterrollen.

Gleichwohl allerdings passt dieses Fest in unsere Zeit, wenn wir seine Entstehungsgeschichte kennen. Die Verehrung der hl. Familie setzte verstärkt im 17. Jahrhundert ein und nahm im 19. Jahrhundert, maßgeblich von Kanada aus, einen weltweiten Auf­schwung. Ein maßgeblicher Hintergrund dieser Entwicklung lag in der Sorge um das schon damals vielfach gefährdete klassische Familienleben mit klaren Rollen und Vorgaben. Technische und wirt­schaftliche Entwicklungen und Fortschritte führten zu radikalen Veränderungen mit massiven Auswirkungen für Väter, Mütter und Kinder. Damals sah man in dem 30 Jahre währenden Leben Jesu in seiner Familie in Nazareth ein hilfreiches Vorbild.

Und heute? Auch gegenwärtig leben wir in einer immer hektischeren Welt mit bisweilen fundamentalen Auswir­kungen auf das Familienleben, die zu teilweise bisher unbe­kannten Entwicklungen füh­ren. Einige wenige Stichworte für die heutige familiäre Vielfalt seien exemplarisch genannt: demografischer Wandel und daraus resultie-
render Bevölkerungsrückgang, Trennungs- und Scheidungsraten, alleinerziehende Väter und Mütter, gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Leihmütter, Patchwork-Familien. Viele Familien sind in einem bisher nicht gekannten Ausmaß geprägt durch inter-konfessionelle, inter-religiöse, inter-kulturelle, inter-generative, inter-­nationale Chancen und Herausforderungen.

Und an genau diesen je einmaligen Lebensgeschichten hat Gott Inter-esse? Ja! Inter-esse – dieses Wort stammt aus der lateinischen Sprache und bedeutet ‚dazwischen sein‘. Ja, Gott will dazwischen sein! Er hat Inter-esse an je­dem einzelnen Menschen, unter welchen familiären Umständen auch immer jemand aufwächst und durchs Leben geht. Gleich zwei Mal erwähnt Lukas, dass Jesus in Windeln gewickelt in einer Krippe lag. Von Beginn seines Lebens an also ist der Mensch gewordene Gott mit allen Banalitäten und Realitäten, mit allem Mist des Lebens vertraut. Und auch an all unserem Mist hat der Mensch gewordene Gott Inter-­esse. Jahr für Jahr bekunden wir dieses göttliche Inter-­esse an unseren wie auch immer gear-teten Familienge­schich­ten und Lebensläufen in der Feier des Weihnachtsgeheimnisses.

Und das ist in der Tat fest-lich! Das halte ich tatsächlich für heilig und Heil bringend! Das passt für mein Empfinden zu allen wie auch immer ge­arteten Familiengeschichten. Gott kennt und interessiert sich für unsere heiligen oder auch unheiligen Lebensumstände. Nichts Menschliches ist ihm fremd! Alle heil(ig)en und auch unheil(ig)en Famili­engeschichten mit ihren ganz unterschiedlichen Höhen und Tiefen sind für ihn von Inter-­esse, sind bei ihm aufgehoben.

Heil(ig) oder Unheil(ig)? Für Jesus wohl keine Frage. Unab­hängig von kirchlichen Vorgaben und Synodenbeschlüssen gilt sein einladendes Wort: ‚Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. … Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen‘ (Mt 11, 25-26.28).

Pastor Stefan Tausch

Der Autor ist Direktor des Bildungs- und Exerzitien­hauses St. Bonifatius in Winterberg-Elkeringhausen.

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