15.01.2016

„Hier habe ich Freunde gefunden“

Wohnungslosenseelsorger Daniel Schwarzmann hält die Messe in einer Runde im Chorraum der Kirche. Foto: Czembor

Dortmund. An jedem zweiten Donnerstag im Monat öffnet die „Gastkirche“ an der Westerbleichstraße ihre Pforten. Die Gäste kommen in Scharen, meist stehen bis zu 100 Menschen vor der Tür.

Seit über 15 Jahren wird die St. Michaelis-Kirche an diesen Tagen zum Treffpunkt für Wohnungs- und Obdachlose und auch für Alleinstehende, die einfach Gemeinschaft suchen. Ins Leben gerufen wurde dieser besondere Gottesdienst von dem damaligen Obdachlosenpfarrer Alfons Wiegel. Zum ersten Treffen kamen 30 Männer und Frauen, die von einem ehrenamtlichen Team aus der Gemeinde liebevoll betreut wurden.

Heute hat sich ein Betreuerstamm von sieben Ehrenamtlichen gebildet, der bereits eine Stunde vor dem besonderen Gottesdienst alle Hände voll zu tun hat, denn das warme Essen, das es nach der Messe für alle Teilnehmer gibt, will gekocht sein, die Räume des Gemeindehauses müssen hergerichtet und die langen Tischreihen gedeckt werden.

Die gespendeten Kuchen werden aufgeschnitten und einladend drapiert. Und Hunderte Brötchen, die seit vielen Jahren von der Bäckerei Böhmer des ehemaligen Dortmunder Karnevalsprinzen Udo I. (Ruhl) gespendet werden, wollen geschmiert sein.

Im Laufe der Jahre ist die Zahl der Teilnehmer auf knapp 100 gewachsen, längst nicht mehr nur aus der Gemeinde und der Dortmunder Nordstadt, sondern aus ganz Dortmund und sogar aus Bochum und Gelsenkirchen.

„Hier ist es klasse, hier habe ich Freunde gefunden, am liebsten würde ich in diese Gemeinde ziehen“, hören die ehrenamtlichen Kirchengastgeber manches Mal. Vor Jahren hat sich bei diesen Gottesdiensten sogar ein Paar gefunden, das sich das Ja-Wort in der St. Michaelis-Kirche gab und eine Wohnung in der Gemeinde fand.

Alle kommen gern, das hat auch Wohnungslosenseelsorger Daniel Schwarzmann seit seiner Berufung in die Gemeinde erfahren. Zu Beginn jedes Treffens steht eine kurze Messe auf dem Programm, bei der die Teilnehmer im Kreis rund um den Altar sitzen und dem Wort Gottes, das er verkündet, lauschen. Gemeinsam wird dann gebetet und gesungen, einfühlsam begleitet von Martina Johna, die gekonnt ihrer Trompete dezente Töne entlockt.

Nach dem Gottesdienst treffen sich alle im benachbarten Gemeindehaus. Bei der letzten „Gastkirche“ 2015 gab es für die Teilnehmer eine besondere Überraschung: Zum Abschied erhielt jeder eine nummerierte Eintrittskarte für die Weihnachtsfeier, bei der im Gegensatz zu den „normalen Gastkirche-Terminen“ die Teilnehmerzahl wegen der Größe des Saales auf 100 begrenzt ist. An diesem Tag wartet auf jeden, der ein Billett hat, nach dem Gottesdienst ein festliches Essen.

Die „Gast-Kirchen-Gastgeber“ sind besonders erfreut darüber, dass zu den letzten Messeterminen auch Flüchtlinge den Weg in die Westerbleichstraße gefunden haben. „Für uns ist es ein gutes Gefühl zu spüren, daß die Eingeladenen sich bei uns wohlfühlen. Sie gehen freundlich miteinander um und sind voller Dank für die erfahrene Mühe und Fürsorge“, sagt Annerose Groh, die seit Jahren zu den „Gastgebern“ zählt.

Horst-Dieter Czembor

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