Himmlische Bezüge
Wolken beflügeln die Fantasie der Betrachter – Gesichter oder Figuren sind zu erkennen. Foto: Nückel
Gluthitze und ein strahlend blauer Himmel. Der Sommer gibt in diesem Jahr alles – und noch ein wenig mehr. Unter Wassermangel leidet nicht nur die Natur, sondern auch der Mensch. Wie schön wäre hier und da die Aussicht auf ein wenig Nass oder zumindest Schatten – hervorgerufen etwa durch Cumulus oder Nimbostratus, also Wolken.
von Joachim Heinz (KNA)
Die am Firmament sichtbaren Ansammlungen von winzigen Wasser- oder Eisteilchen haben es dem Erdenbewohner seit jeher angetan. Hohe Berge, von Wolken umhüllt, galten als Sitz der Götter – man denke nur an den Olymp der alten Griechen. Der Bibel zufolge schwebte die „Wolke des Herrn“ über dem „Offenbarungszelt“ der Israeliten, an anderer Stelle kommt Gott selbst in einer Wolke herab und redet mit Mose.
Im Neuen Testament ist der Allerhöchste ebenfalls zur Stelle – bei der Verklärung Jesu. „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören“, tönt es aus einer leuchtenden Wolke. Die Jünger Petrus, Jakobus und Johannes werfen sich daraufhin voll Angst und Schrecken zu Boden. Am Ende aller Zeiten wird der Menschensohn selbst, so unterrichtete Jesus seine Zuhörer, „auf den Wolken des Himmels kommen“.
Wer heute wie auf Wolken geht, der ist meist sehr zufrieden mit der Wahl seines Schuhwerkes. Mit seiner Partnerwahl dagegen sehr zufrieden ist, wer auf Wolke sieben schwebt. Die Redensart soll von der antiken Vorstellung verschiedener Sphären kommen, wobei die siebte Sphäre die letzte unüberbietbare ist, hinter der die materielle Welt endet.
Schwer zu fassen und zu greifen sind sie, die Wolken. Wohl auch deswegen gab der Humanist Leon Battista Alberti (1404–1472) die Parole aus, der Maler möge auf entsprechende Darstellungen besser verzichten, weil Wolken Oberfläche und Kontur vermissen ließen. Doch schon wenig später nahmen die Künstler darauf keine Rücksicht mehr – für den französischen Philosophen und Kunsthistoriker Hubert Damisch in seiner „Theorie der Wolke“ Zeichen für einen tief greifenden Wandel innerhalb der Malerei.
Zum Vater der modernen Wolkenkunde wurde der Brite Luke Howard (1772–1864). Er unterteilte die himmlischen Gebilde in vier Gruppen: Feder-, Schicht-, Haufen- und Regenwolke. Johann Wolfgang von Goethe widmete ihm 1821 ein Gedicht. Rund 200 Jahre sind seither vergangen, aber vieles bleibt Experten immer noch ein Rätsel, wie Bjorn Stevens, Direktor des Max-Planck-Institutes für Meteorologie, kürzlich erst sagte.
„Man sollte zum Beispiel meinen, dass die Erde auf der Nordhalbkugel mit ihren Landmassen das Sonnenlicht in anderen Mengen zurückstrahlt als auf der Südhalbkugel mit der weißen Antarktis“, sagt Stevens. Doch tatsächlich strahlten beide Hälften der Erde etwa gleich viel Licht zurück. „Und dafür sorgen die Wolken: Sie verteilen sich genau so, dass sie die Ungleichheit des Bodens kompensieren.“ Warum das so ist? „Wir verstehen es nicht“, so der Wissenschaftler.
Auch die Zusammenhänge zwischen Wolkenbildung und Klimawandel liegen oft im Nebel. Wie sich Wolken bilden, erforschen Spezialisten am Leibniz-Institut für Troposphärenforschung. Das „Wolkenlabor“ in Leipzig verfügt seit 2017 über einen eine Million Euro teuren Windkanal, der über mehrere Etagen verteilt die Entstehung von Wolken simulieren soll. Erklärtes Ziel ist, globale Klimamodelle und Wettervorhersagen zu verbessern.
Den von der Hitze geplagten Zeitgenossen wird all das auf die Schnelle nicht helfen. Wenigstens die Münchner bekommen derzeit regelmäßig zumindest eine Wolke zu Gesicht – in Gestalt von „Wolkenradler“ Martin Nothhelfer. Der auf einem Hochrad sitzende Künstler will als Wolke verkleidet auf die Luftverschmutzung in der bayerischen Landeshauptstadt aufmerksam machen.