„Ich schlafe noch sehr gut“ – Interview mit Dom­propst Joachim Göbel

In diesem Saal, dem Kapitelsaal, wird die Wahl stattfinden. (Foto: Auffenberg)

An diesem Samstag ist das Erzbistum ein Jahr ohne Bischof und langsam steigt die Spannung. Eine Paderborner Tageszeitung vermeldete vor zwei Wochen schon, die Liste aus Rom, aus der das Domkapitel wählt, sei da – eine Falschmeldung. Nachfrage bei Dom­propst Joachim Göbel.

Herr Dom­propst, wann kommt die Liste?

Wenn sie fertig ist, nehme ich an. Soweit ich es weiß, hatten wir noch nie eine Bischofsernennung, die kürzer war als ein Jahr. Es ist also alles noch ganz normal. 

Aber warum dauert es so lange?

Weil der Prozess, der dahinter liegt, so umfangreich ist. Der Nuntius hat ja nicht nur unsere Vorschläge, sondern jeder Bischof aus dem Bereich des Preußischen Konkordats kann ihm welche machen. Nehmen wir an: Neben unseren dreien liegen noch sechs oder sieben andere vor. Und nehmen wir weiter an, von diesen sind drei keine Bischöfe. Von denen hat der Nuntius keine Informationen. Bei Bischöfen kann er auf das Verfahren zurückgreifen, das zu deren Ernennung gelaufen ist. Bei einem Priester gibt es die nicht, also beginnt der sogenannte Informativprozess, in dem viele Leute befragt werden. Viele Leute, die ihn kennen, müssen lange Formulare ausfüllen: vom PGR-­Vorsitzenden über eine Lektorin bis hin zum Pfarrer, der mit ihm zusammengearbeitet hat. Das dauert halt. Wenn alles zusammen ist, wird das Ganze für die Sitzung des Dikasteriums aufbereitet, in der Paderborn auf der Tagesordnung steht. Dort wird eine Empfehlung für den Papst ausgesprochen. 

Wissen Sie, wie der Stand ist?

Nein.

Warum ist es so geheim?

Der Sinn dieser Geheimhaltung ist für mich, dass man ansonsten sehr leicht Menschen beschädigen kann. Wenn in der Öffentlichkeit die Namen gehandelt werden, gibt es natürlich Gespräche und Vermutungen, die auch für die Betroffenen nicht gut sind. Wenn jemand es dann nicht wird, fragt er sich womöglich, warum nicht, ob man vielleicht einen schlechten Eindruck von ihm hat.

Spricht das nicht eher für Transparenz, wie wir es in einer Demokratie gewohnt sind?

Auch in einer Demokratie sind Personalwahlen geheim und das hat doch den Sinn, dass der oder die zu Wählende nicht weiß, was die Wählerinnen und Wähler konkret über ihn, über sie denken.

Dom­propst Joachim Göbel.

Aber man weiß, dass man Kandidat ist.

Das stimmt. Aber de facto ist doch bei einer Bischofsbestellung der Kreis der möglichen Kandidaten überschaubar. Es ist doch klar, dass ein Bischof, der die 65 überschritten hat, vermutlich kein Kandidat mehr ist. Oder jemand, der ­bislang 25 Jahre ausschließlich als ­Pfarrer gearbeitet hat, wird auch kein Kandidat sein. Man guckt also bei den Weihbischöfen, bei jüngeren Diözesanbischöfen …

… bei Dom­pröpsten mit entsprechender Erfahrung?

Auch das. Da fall ich raus, weil ich nicht mehr im richtigen Alter bin. Also: Man würde ja auch bei der Besetzung einer Unternehmensspitze niemanden nehmen, der ein toller Sachbearbeiter ist, sondern eher bei Abteilungsleitungen gucken.

Wie wird Ihnen die Liste zugestellt?

Das weiß ich auch nicht, aber es wird ein sicherer Weg sein, der garantiert, dass nur ich ­persönlich diesen Brief bekomme. ­Gemäß der Statuten muss ich dann innerhalb von acht Tagen das Domkapitel einladen, die Wahl muss ab da innerhalb der nächsten vier Wochen ­erfolgen.

Können Sie schon mal in den Brief gucken?

Nein! Es erfordert von mir natürlich eine große Fähigkeit, Geduld zu bewahren und meine Neugier niederzuringen, wenn dieser Brief zwei Wochen bei mir auf dem Schreibtisch liegt. Aber im Augenblick fühle ich mich da stark genug. In der Kapitel­sitzung werde ich ihn zunächst herumgeben, damit sich jeder überzeugen kann, dass er ungeöffnet ist. Danach werde ich ihn öffnen.

Und dann lesen Sie womöglich Namen, die Sie nicht kennen.

Gemäß der Statuten können wir uns vertagen und nach drei Tagen erneut treffen. So hat jeder Zeit, sich zu informieren. Dann wird gegoogelt.

Könnte es passieren, dass auf der Liste niemand steht, den Sie wählen möchten?

Ja, dann geben wir die Liste zurück. Aber damit hätten wir das Wahlrecht verwirkt und es würde jemand ernannt.

Und wie geht es weiter, wenn gewählt ist?

Dann werde ich sehr kurzfristig den Gewählten aufsuchen und ihm die frohe Botschaft mitteilen. Wenn er nicht sofort zusagt, hat er acht Tage Zeit, zu überlegen. Lehnt er danach nicht ab, habe ich die Aufgabe, bei den drei betroffenen Ministerpräsidenten in NRW, Hessen und Niedersachsen anzufragen, ob es gegen diesen Kandidaten irgendwelche Vorbehalte gibt. Da geht es um die Verfassungstreue, daher wird wohl nichts vorliegen. Dann melde ich das Ergebnis dem Nuntius, der meldet es nach Rom und der Heilige Vater ernennt. Wir überlegen dann mit den Beteiligten: Wann geben wir gleichzeitig bekannt?

Im Moment ist zu hören, dass es im Erzbistum ganz gut läuft. Da kann man doch – und aufgrund der Causa Hengsbach vielleicht mit einem etwas gereizten Unterton – fragen: Wozu brauchen wir überhaupt einen Erzbischof?

Ja, es läuft ganz gut, aber der Administrator darf keine weitreichenden und den künftigen Bischof bindenden Beschlüsse herbeiführen. Konkret: Die neue Grundordnung oder die neue Missio-Ordnung sind in Kraft gesetzt, aber nur vorläufig. Auch Pfarrstellen sind nur vorläufig besetzt. Im Augenblick bereiten wir Dinge vor, die dann möglichst schnell entschieden werden müssen, aber mehr können wir nicht tun. Es stockt also rein formal, aber auch – wie soll man sagen – psychologisch spürt man, dass die Spitze unbesetzt ist. Es läuft, aber es ist niemand da, der als Bischof mit voller Leitungsmacht das Bistum repräsentiert.

Können Sie noch schlafen, angesichts dessen, was Sie einem Menschen zumuten müssen?

Ich schlafe noch sehr gut, aber es ist sicher kein Spaß mehr, Bischof zu sein. Eines der ersten großen Themen für den neuen Bischof wird der Umgang mit der Paderborner Missbrauchs­studie sein, die wir 2025 erwarten. Hinzu kommen die abbrechenden personellen und materiellen Ressourcen, mit denen er irgendwie zurechtkommen muss. Von ihm wird man auch erwarten, dass er den Menschen hier eine Vorstellung davon gibt, wo es mit dem Erzbistum hingehen kann. 

Worauf könnte er sich in Paderborn freuen?

Unser Erzbistum ist derzeit noch in allen Bereichen sehr gut aufgestellt. Die Transformation lässt sich gut gestalten. Wir können noch agieren und müssen nicht reagieren. Es gibt eine große Zahl sehr guter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auf die man sich stützen und verlassen kann. Wir haben den Prozess des Syno­dalen Weges sehr ruhig und ausgleichend moderiert. Daher würde ich sagen: Hier gibt es keine Brandherde, vor denen man sich fürchten müsste.

Mit Dom­propst Joachim Göbel sprach Claudia Auffenberg

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