11.11.2016

„In Ängsten – und siehe, wir leben …“

Wenn Ihr standhaft bleibt … Standhaftigkeit hat nichts mit Betonfüßen oder Unbeweglichkeit zu tun, im Gegenteil: echte Standhaftigkeit zeichnet sich durch eine gewisse Leichtigkeit aus, weil sie etwas mit Mut und Hoffnung zu tun hat. Foto: greycoast/photocase

Vertrauen auf Jesus und seine Botschaft lässt uns als Glaubende schwierige und bedrohliche Zeiten bestehen.

von Reinhard Hörmann

Unter diesem Motto stand der Evangelische Kirchentag in Frankfurt, im Jahre 1975. Entnommen sind diese Worte dem 2. Brief des Apostels Paulus an die Korinther. Die Botschaft war unmissverständlich: Obwohl es den Menschen in der Bundesrepublik Deutschland materiell zunehmend besser zu gehen schien, stellten verantwortungsbewusste Theologen, Psychologen und Soziologen ein ansteigendes Potenzial an Ängsten fest, die sich bei nicht wenigen Menschen verheerend auf den Geist und den Körper auswirkten.

Ziel des Kirchentages sollte sein, die Genese diverser Ängste zu ergründen und zur Sprache zu bringen und dabei zu erfragen, ob und inwieweit die Christinnen und Christen in unserem Land noch Vertrauen und Hoffnung in die Botschaft Jesu Christi setzen würden und daraus Kraft für die Bewältigung mancher Alltagskonflikte bezögen. Das Ergebnis war teilweise ernüchternd, da bei nicht wenigen Getauften die Wiederkunft Christi kaum noch aktuelle Bedeutung hatte.

Eine ähnliche Erfahrung machte Lukas, der Verfasser des heutigen Evangeliums. Als er sein Evangelium zwischen den Jahren 85 bis 90 verfasste, waren ihm schon manche Greueltaten an den Christen seit der Himmelfahrt Jesu zu Ohren gekommen. Da gab es die Verfolgungen von Propheten und Gläubigen durch Herodes in den 40er-Jahren. Da verfolgte Nero die römischen Christen im Jahre 64. Der jüdisch-römische Krieg war bereits vorbei und Jerusalem war dem Erdboden gleichgemacht worden (66–70 n. Chr.). Die Jerusalemer Gemeinde hatte sich aufgelöst. Und durch die Landstriche zogen Wanderprediger, die sich als Propheten und da und dort sogar als Messiasse ausgaben und durch ihr Auftreten nicht wenige Glaubende verwirrten und verunsicherten. Je länger der erwartete Christus ausblieb, umso mehr steigerten sich bei einigen Christen die Ängste und schwand das Vertrauen in die Botschaft des Evangeliums; man passte sich schnell der neuen Umgebung und der entsprechenden Denkweise der Mitmenschen an.

Lukas befand, dass es an der Zeit war, den Verängstigten, den Verunsicherten und Enttäuschten noch einmal die Worte Jesu vor Augen und zu Ohren zu bringen, um ihnen neue Hoffnung und neuen Lebensmut zu geben. Christi Worte sollten Lebenselexier sein und sie darin bestärken, trotz der Konfrontation mit schrecklichen Vorkommnissen das Vertrauen in seine Worte nicht zu verlieren und so gestärkt und voller Hoffnung dem Leben trauen; denn das verheißene Ende werde noch kommen. Diese Frohe Botschaft hat bis in unsere Tage an Aktualität nichts verloren. Auch uns gilt die Verheißung Jesu: „Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“

Wie aber steht es um unseren Glauben heute, mehr noch: um unsere Standhaftigkeit im Glauben; besonders wenn es darum geht, Zeugnis abzulegen, auch wenn es nicht „in“ ist und auch wenn man uns als die ewig Gestrigen belächelt? Müssten sich die Synoptiker, hier der Evangelist Lukas, auch um uns Sorgen machen? Gehen wir Christen heute, wie viele, einfach zur Tagesordnung über nach der Devise „et hätt noch emmer joot jejange“?

„In Ängsten – und siehe, wir leben“… heute mehr denn je ein Glaubensbekenntnis, weil wir uns sowohl von Paulus, als auch an diesem Sonntag speziell von Lukas, wieder auf Christus und auf seine Wiederkunft ausrichten lassen dürfen. Das ZUKUNFTSBILD unseres Bistums kann dabei unterstützend wirken. „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis (weil!) du kommst in Herrlichkeit!“

OStR a. D. Reinhard Hörmann ist Schulseelsorger am Haranni-­Gymnasium in Herne und ­Pastor in der Pfarrei Corpus Christi in Castrop-Rauxel.

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