KI und Kirche – „Das Original ist uns lieber“
Benedikt Fischer schaut seinem Avatar zu. (Foto: Patrick Kleibold)
Kann ein Avatar einen Priester im Gottesdienst ersetzen? Technisch ist das bereits möglich. Die eigentliche Frage muss jedoch anders lauten: Wollen wir, dass Menschen mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) durch virtuelle Kunstfiguren ersetzt werden? Diskutiert wurde darüber während der Libori-Woche in der Paderborner Gaukirche.
Paderborn. Es war ein ungewohntes Bild in der Paderborner Gaukirche: Dechant Benedikt Fischer steht mit dem Rücken zu den Kirchenbesuchern. Er schaut auf eine Leinwand im Chorraum. Zu sehen ist ein Avatar von ihm. Das künstliche Abbild Fischers sieht ihm erstaunlich ähnlich. Auch seine Stimme klingt sehr vertraut, auch wenn der Stimmfall nicht exakt dem von Fischer entspricht. Die Gesichtszüge des Avatars bewegen sich und er blinzelt zwischendurch, während er über den Apostel Jakobus predigt. Die Predigt stammt nicht von Fischer selbst, sie wurde mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) geschrieben.
Ein Szenario, das für alle Besucher und auch für Fischer völlig neu war. Und wozu das Ganze? Im Vorfeld von Libori hatte Fischer das so beschrieben: „Künstliche Intelligenz ist bereits jetzt ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Niemand kann sich ihr entziehen, auch unsere Kirche nicht. KI bietet unserer Kirche die Chance, über die Themen, die uns wichtig sind, ins Gespräch zu kommen. Das versuchen wir zu Libori.“
„Seelsorge beruht auf der Begegnung von Mensch zu Mensch“
Und so ist es dann auch gekommen. Kurz nach Ende der Gebetsstunden fingen die Diskussionen an. Die Besucher tauschten sich nicht nur untereinander aus, viele von ihnen hatten auch das Bedürfnis, sich mit Benedikt Fischer über das Erlebte zu unterhalten. Rainer Fromme formulierte seinen Blick darauf so: „Ich finde es zwiespältig. Es war beruhigend, dass man merkt, dass Benedikt Fischer es nicht selbst war. Zum einen konnte man sehen, dass es eine Animation war, und zum anderen war die Formulierung sehr floskelhaft. Sie war sicherlich theologisch korrekt und durchdacht, aber aus meiner Sicht zu glatt.“ Wie auch viele andere Besucher der Gaukirche lehnt Fromme KI in der Seelsorge ab: „Ich finde es erschreckend, wenn man in 10 bis 15 Jahren nicht mehr unterscheiden kann, was echt ist und was nicht. Aus ethischen und theologischen Gründen muss man das ausschließen. Seelsorge beruht auf der Begegnung von Mensch zu Mensch“, sagte Fromme.
Einen ähnlichen Blick darauf hat auch Ida Peitz: „Ein Priester macht mehr. Ein Mensch steht da mit seinem Ausdruck, mit seiner Überzeugung. Das nehme ich der KI nicht ab.“ Für die Zukunft könne sie sich jedoch gut vorstellen, dass ein Avatar Gottesdienste ergänzt oder auch durch die Messen leitet.
Eine Predigt so inspirierend wie ein Wikipedia-Eintrag
„Ich habe mich gefragt, ob es jedem aufgefallen wäre, der Benedikt Fischer vielleicht nicht kennt. An seiner eigentlichen Stimme war es schon sehr nah dran. Bei der Formulierung konnte man merken, dass die Predigt von einem Computer generiert wurde“, sagte Nicole Müller-Kipshagen. Doch auch wenn KI schon vieles leistet, eines fehlte den Besuchern in der Gaukiche, nämlich Leidenschaft und Emotion. „Die Predigt des Avatars war für mich so informativ und inspirierend wie ein Wikipedia-Eintrag. Mir fehlte die persönliche Ansprache und eine Deutung, was die Predigt konkret für mein Leben bedeutet“, sagt Thomas Twents. Und so war die mehrheitliche Meinung: „Das Original ist uns lieber“, wie ein Besucher es treffend auf den Punkt brachte.
KI kann hilfreich sein
Ähnlich sah das auch Benedikt Fischer selbst. „Mit Blick auf den Avatar finde ich nicht viel von mir darin wieder. Die Predigt war zu floskelhaft. Und sie war zu glatt. Ich persönlich hätte anders gepredigt. Mit Blick auf die Seelsorge kann ich mir den Einsatz von KI nicht vorstellen. Trotzdem kann KI auch in unserem Beruf hilfreich sein, beispielsweise bei der Recherche und der Erstellung von Texten. Es braucht jedoch immer noch eine Überarbeitung der durch KI generierten Texte.“
Allein am Libori-Montag und -Dienstag waren mehr als 2 000 Besucher in die Gaukirche gekommen. Die digitale Welt in Form einer Ausstellung und einiger KI-generierter Elemente in Verbindung mit einem Kirchengebäude scheint die Menschen angesprochen zu haben, und so ging auch Fischers Wunsch in Erfüllung, den er zu Libori wie folgt formulierte: „Wir erhoffen uns einen regen Austausch und kontroverse Diskussionen.“
Patrick Kleibold/Helena Mälck
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