Kirche – wozu? – Editorial von Claudia Auffenberg
Der hohe Dom zu Paderborn.
Auf der Hitliste der Themen, die man nicht mehr hören kann, stehen drei ganz oben: Corona, Krieg, Missbrauch. Es sind allerdings Themen, bei denen man nicht weghören darf. Denn es geht jeweils um Menschenleben und was kann es Wichtigeres geben, als Menschenleben zu retten, zu schützen, zu bewahren – erst Recht für uns Christen, die wir den Gott des Lebens verkünden?
Das Thema Missbrauch, das die Kirche schon lange und wohl noch lange begleiten wird, stand in der vergangenen Woche im Mittelpunkt der WDR-5-Sendung „Stadtgespräch“, die aus Paderborn übertragen wurde (siehe Seite 20). Es war für Menschen wie unsereins, die die Kirche kennen und an ihr hängen, wirklich – so muss man es leider sagen – eine niederschmetternde Veranstaltung. Und das lag nicht am WDR! In knapp sechzig Minuten wurde das ganze Ausmaß des Dramas mal wieder offenbar: Sprachlosigkeit, keine Empathie, Trägheit des Systems.
Am Ende der Sendung fragte Moderatorin Judith Schulte-Loh denn auch: „Wofür brauchen wir die Kirche noch?“ Diese Frage muss man stellen. Das Erzbistum befasst sich seit der Vorstellung des Zukunftsbildes genau damit: „Wozu bist du da, Kirche von Paderborn?“. Das ist zwar etwas anders formuliert, meint aber dasselbe. Nun ist diese Frage keine, auf die das Erzbistum das Urheberrecht hätte, sie ist vermutlich so alt wie die Kirche. In den Archiven und Bibliotheken finden sich wohl etliche Dokumente, in denen sich Antworten finden. Und wir alle hätten gewiss auch eine Antwort parat.
Wie also konnte es dazu kommen?
Trotzdem steht diese unsere Kirche jetzt da, wo sie steht. Wie konnte das passieren? Wie konnte es so weit kommen, dass in der breiten Öffentlichkeit die Kirche als eine intolerante, engstirnige, frauenfeindliche Organisation gilt, in der Kinder nicht sicher sind und die obendrein ein eigentümliches Verhältnis zum Geld hat? Und das alles ist ja nicht nur ein Eindruck, das alles ist Teil der real existierenden Kirche. Wie also konnte es dazu kommen? Könnte es sein, dass das System Kirche die Frage nach dem Wozu nicht mehr gestellt hat? Oder schlimmer noch: sich selbst als Antwort gesetzt hat: „Kirche ist für die Kirche da“? Und könnte es sein, dass wir irgendwie auch so agieren, dass es bei vielem Engagement am Ende (oder am Anfang?) doch um den Erhalt der Gemeinde, der Gruppe, des Verbandes geht, also um das, was wir als Kirche, als Heimat konkret erleben?
Wenn das so ist, wie kommen wir da raus? Vielleicht, in dem wir die Frage nach dem Wozu uns selbst stellen und zwar konkret angeschärft: Wozu bin ich als Christ, als Christin da? Wofür werde ich als getaufter Mensch in dieser Welt gebraucht? Die Frage ist leicht hier ins Editorial geschrieben, aber man ahnt schon, dass die Antwort Kraft kosten könnte. Auch angesichts der beiden anderen Themen, die noch auf der Liste stehen.
Ihre
Claudia Auffenberg