Kirchliche Medien – Hat Professionalität eine Konfession?

Anlässlich des GKP-­Jubiläums kam der Vorsitzende der Bischofs­konferenz, Bischof Georg Bätzing, zum Hintergrundgespräch, das ­Joachim Frank moderierte. (Foto: Christian Klenk/GKP)

Worin unterscheiden sich katholische Journalisten von anderen? Wie frei und kritisch dürfen ­kirchliche Medien sein? Ein Gespräch darüber mit Joachim Frank, dem Vorsitzenden der Gesellschaft katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP). Die GKP hat gerade ihr 75-­Jähriges gefeiert. 

Herr Frank, die GKP wird 75. Worin unterscheiden sich eigentlich katholische Publizisten und Journalistinnen von anderen? 

Joachim Frank: Hoffentlich gar nicht – jedenfalls nicht, was die Qualität der Arbeit angeht und das journalistische Instrumentarium: ­Professionalität hat keine Konfession. 

Also sollte man es gar nicht merken in der täglichen Arbeit?

Joachim Frank: Beim Handwerk nicht, aber vielleicht in der grundsätzlichen Haltung. Wie formuliere ich das am besten? Christen sollten eine besondere Verantwortung übernehmen aus ihrer Glaubensüberzeugung heraus. Menschenfreundlichkeit könnte man vielleicht sagen – oder Nächstenliebe. Dazu gehört etwa, sich mit den Schwachen zu solidarisieren. 

Mit welchen Vorbehalten müssen katholische Publizisten in den Redaktionen leben? Gibt es die Sorge, da wolle jemand missionieren?

Joachim Frank: Das hängt sicher vor allem davon ab, wie der oder die Einzelne auftritt. Allerdings muss man feststellen, dass der Missbrauchsskandal und andere Entwicklungen das Label „katholisch“ insgesamt nicht gerade populärer gemacht haben. Das gilt aber nicht nur in den Medien. 

Was bedeutet das für die GKP?

Joachim Frank: Dass es sie nötiger als je braucht, sage ich als Vorsitzender. Im Ernst: Ganz gegen den katholischen Trend wachsen wir und haben so viele Mitglieder wie nie zuvor. Das ist für mich ­allerdings auch ein Krisenindikator: Menschen, die ihr teils bis zum Zerreißen gespanntes Band mit der Kirche immer noch nicht gekappt haben, vernetzen sich mit anderen, denen es ähnlich geht und die sich fragen: ­Gehen oder bleiben? Und wenn ­bleiben, dann warum und wie? 

Ihr Verband befasst sich intensiv mit ethischen Fragen. Da wird zurzeit ja viel über „Haltungsjournalismus“ oder „Aktivismus“ gesprochen, oft sehr kritisch. Sind katholische Medienschaffende nicht grundsätzlich Aktivisten? 

Joachim Frank: Oh, das hat viele Facetten. Was mich grundsätzlich stört an der Denunziation des „Haltungsjournalismus“, ist die Tatsache, dass die fast immer nur von denen kommt, die sich kritisiert fühlen – ob es um Klimawandel geht, Corona, Krieg oder auch um Kirche. Ich habe es noch kaum erlebt, dass Medienleuten „Aktivismus“ vorgeworfen wurde, die zum Beispiel auf Klima­kleber schimpfen, Corona-­Leugnern Recht geben oder kirchliche Reformbemühungen verdammen. 

Also gehört für Sie eine gewisse Haltung dazu? 

Joachim Frank: Journalismus ist kein Durchlauferhitzer für Informationen, sondern hat einen Auftrag. Der ist orientiert an den Grundwerten und damit auch am Einsatz für die, denen Unrecht geschieht, die unter Missbrauch leiden, auch dem Missbrauch von Macht. Ihnen muss Journalismus eine Stimme geben – und nicht Lautsprecher der Mächtigen sein.

Welche Haltung muss dann ein katholischer Journalist, eine katholische Publizistin haben? Konkret: Passt es zusammen, über Kirche zu berichten und selbst kirchlich engagiert zu sein? Vielleicht analog zur Debatte, ob politische Bericht­erstatter in einer Partei aktiv sein sollten … 

Joachim Frank: Das ist eine Gratwanderung, klar. Um bei Kirche zu bleiben: Ich finde es achtbar, wenn sich jemand ehrenamtlich engagiert. Wichtig sind zwei Dinge: Transparenz und keine Vermischung. Wenn ich auf mich schaue: Ich bin als GKP-­Vorsitzender im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Das lege ich offen.

Momentan wird auch viel über künstliche Intelligenz (KI) und Programme wie ­ChatGPT diskutiert. Vergrößern diese technischen Möglichkeiten die Gefahr der Desinformation und Manipulation? 

Joachim Frank: Auf jeden Fall. Die Gefahr ist gewaltig, weil damit auch Kon­trollinstrumente wegfallen. Wenn zur Überprüfung einer ­Information wieder KI-­generierte Inhalte herangezogen werden, gerät man schnell in eine Art Desinformationsspirale. Und es wird dann immer schwerer, den Wahrheitsgehalt festzustellen.

Müsste man den Einsatz von KI verbieten? Oder zumindest regeln?

Joachim Frank: Verbieten ist Unsinn. Der Geist kann nicht mehr in die Flasche. Wahrscheinlich brauchen wir so etwas wie Gütesiegel oder Positivlisten. Und auf alle Fälle eine größtmögliche Transparenz, sodass Mediennutzende erkennen können, ob ein Text, ein Bild, ein Beitrag mithilfe von KI entstanden ist. Auch eine Selbstverpflichtung der Medien könnte ich mir vorstellen.

Viele Medien setzen heute auf konstruktiven, lösungsorientierten Journalismus – auch um einer Nachrichtenmüdigkeit angesichts der Horror­meldungen aus allen Bereichen ­entgegenzuwirken. Hilft das weiter? Auch mit Blick auf Kirche? 

Joachim Frank: Zunächst darf es nicht zur Bedingung werden – nach dem Motto: Ihr dürft nichts kritisieren, wenn ihr nicht gleich auch eine Lösung mitliefert. Dafür sind erst einmal andere zuständig, und somit dürfen und müssen Medien auch weiter Missstände benennen. Aber wenn sich der Eindruck festmacht, wir würden immer nur alles niedermachen, kann das schon zum Überdruss führen. Ideen zur Verbesserung sollten also schon zur Kritik dazugehören.

Was heißt das für Kirche und die Berichterstattung darüber?

Joachim Frank: Neben der Problembeschreibung müssen wir auch berichten, was es für Ideen gibt, Pro­bleme zu überwinden. Wo geht jemand neue Wege? Wo gibt es „Best-Practice-­Beispiele“ mit Modellcharakter, die auch anderen Anregungen liefern könnten?

Kann man konstruktiv über Missbrauch berichten?

Joachim Frank: Natürlich gibt es keine positiven Seiten des Missbrauchs. Aber man könnte hier sagen: Destruktiv ist konstruktiv. Wenn man Vertuschung und Verharmlosung bloßlegt, den Abwieglern und Vereinfachern nicht auf den Leim geht, sondern sie entlarvt, dann ist das konstruktiv. Auch im Sinne der Betroffenen, die dadurch hoffentlich eher den Mut fassen, selbst die Stimme zu erheben, sich zu befreien von Lasten und Verstrickungen. Man muss das Falsche zerstören, um dem Richtigen Raum zu schaffen.

Womit man sich aber nicht nur Freunde macht … 

Joachim Frank: Sicher nicht. Am wenigsten bei denen, die Kirche für unantastbar und Kritik für Nestbeschmutzung halten. Aber auch bei allen Relativierern, die aufrechnen und sagen: „Die Kirche macht doch auch so viel Gutes!“ oder „In Sportvereinen und in Familien gibt es doch auch Missbrauch.“ Alles richtig, aber das darf nie ein Argument dagegen sein, kritisch hinzuschauen und Probleme klar zu benennen. Erst recht nicht für katholische Pu­blizistinnen und Publizisten …

… und auch für katholische Medien?

Joachim Frank: Unbedingt! In Politik oder Wirtschaft lautet oft die Devise: Je schwieriger die aktuelle Lage, umso wichtiger gute Medienarbeit. Das gilt auch für Kirche: Auch wenn die Institution auf dem Rückzug ist, die Kassen leerer werden und alle Ausgaben auf den Prüfstand kommen, ist es wichtig, gute Informationsangebote aufrechtzuerhalten. Gerade weil immer weniger Menschen verstehen, was Kirche ist und tut und welche wichtige Rolle sie spielen kann.

Also bessere PR?

Joachim Frank: Bitte nicht nur! Eigen-­PR ist nicht verwerflich, aber es muss darüber hinausgehen. Zum einen, indem man Anfragen offen und umfassend beantwortet. Zum anderen, indem eigene kirchliche Medien frei, ausgewogen und unabhängig berichten können und dafür auch ausreichend finanziert werden. Wer mit dem Zudrehen des Geldhahnes droht, wenn er sich mal über einen Bericht ärgert, hat nichts verstanden. Denn wenn kirchliche Medien nur noch Hofberichterstattung machen, wie es offenbar manchen vorschwebt, werden sie von niemandem mehr ernst genommen. 

Zum Schluss nochmals zur GKP: Sie feiern jetzt den 75. Geburtstag. Wenn Sie noch ein Stück weiter nach vorne schauen: Welche Schlagzeile wünschen Sie sich zum 100. ­Geburtstag? 

Joachim Frank: Am liebsten zwei Schlagzeilen: „Mitgliederrekord im Jubiläumsjahr“ und „Geistliche Beirätin der GKP wird erste deutsche Bischöfin“.

Info
Die Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP) ist ein Zusammenschluss von aktuell 557 Medienschaffenden. Sie versteht sich als Netzwerk von Katholikinnen und Katholiken, die in allen Bereichen weltlicher und kirchlicher Medien arbeiten. Der Verband wurde 1948 gegründet als eine Art Schulterschluss der verbleibenden katholischen Publizisten nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf christlicher Grundlage will er zur Meinungsbildung in der Öffentlichkeit beitragen. Die GKP will nach eigenen Angaben Orientierung in der journalistischen Arbeit anbieten. Als Laienorganisation in der Kirche will sie die Interessen ihrer Mitglieder in der kirchlichen und gesellschaftlichen Öffentlichkeit vertreten und Stellung beziehen zu publizistischen und medienpolitischen Fragen. Der Vorstand der GKP verleiht seit 1984 die Franz-von-Sales-­Tafel an Persönlichkeiten, die sich als katholische Publizistinnen und Publizisten besondere Verdienste erworben haben. Sie wurde gestiftet als Erinnerung an das deutsch-­französische Publizistentreffen 1983, das in ­Annecy stattfand, wo Franz von Sales – der Patron der Journalisten – bestattet ist. Vorsitzender der GKP ist seit 2015 Joachim Frank, Chefkorrespondent beim „Kölner Stadt-Anzeiger“. Seine Stellvertreterinnen sind Carolin Kronenburg, Pressesprecherin des Diözesan-­Caritasverbandes Münster, und Nicole Stroth, Redakteurin bei Don Bosco Medien in München. Unbekannt.gifwww.gkp.de

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