Kirchliches Arbeitsrecht – Nur ein Teilerfolg oder der große Wurf?
Das Generalvikariat prüft die rechtliche Situation, um die neue kirchliche Grundordnung möglichst zeitnah einzuführen. (Foto: Patrick Kleibold)
Die deutschen Bischöfe haben ein neues kirchliches Arbeitsrecht beschlossen – doch das ist zunächst nur eine Empfehlung. Umsetzen muss sie jeder einzelne Ortsbischof. Positive Signale kommen aus dem Erzbistum Paderborn, das die neue Grundordnung nach Möglichkeit zügig umsetzen möchte.
Paderborn (KLEI/KNA). Die deutschen Bischöfe machen den Weg frei für den von sehr vielen Menschen lang ersehnten Paradigmenwechsel im kirchlichen Arbeitsrecht. Mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit hat die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) die Grundordnung des kirchlichen Dienstes beschlossen. Statt strenger Anforderungen an die Loyalität bis hin zur persönlichen Lebens- und Beziehungsgestaltung soll künftig die Vielfalt als Bereicherung gelten und Diskriminierung keinen Platz in kirchlichen Arbeitsverhältnissen haben.
So heißt es zur Grundordnung, der offenbar nicht alle 27 Bischöfe zugestimmt haben: Alle Mitarbeitenden könnten „unabhängig von ihren konkreten Aufgaben, ihrer Herkunft, ihrer Religion, ihrem Alter, ihrer Behinderung, ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Identität und ihrer Lebensform Repräsentantinnen und Repräsentanten der unbedingten Liebe Gottes und damit einer den Menschen dienenden Kirche sein“. Das betrifft bundesweit ca. 800.000 Menschen, die in der Kirche oder bei der Caritas arbeiten.
Monsignore Dr. Michael Bredeck: „Froh und dankbar“
Der Diözesanadministrator des Erzbistums Paderborn, Monsignore Dr. Michael Bredeck, sieht die neue Grundordnung positiv. „Ich bin froh und dankbar für die neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes. Damit es zu einer zügigen Umsetzung im Erzbistum Paderborn kommen kann, werden wir jetzt das Notwendige dafür tun“, teilte Bredeck in einer Stellungnahme mit. Doch wie der konkrete Weg aussehen wird, scheint noch nicht klar zu sein. Zwar verfügt der Übergangsverwalter über dieselben Befugnisse wie ein amtierender Erzbischof, allerdings darf er keine Beschlüsse fällen, die den nächsten Erzbischof binden. Konkret heißt das: Es bedarf einer genauen Prüfung des diözesanen Rechts, um die Frage zu klären, ob die Umsetzung während einer Vakanz kirchenrechtlich möglich ist. Wie lange das dauern wird, ist derzeit anscheinend nicht abzusehen. „Wir legen uns nicht fest, wann das sein wird“, teilte Pressereferent Benjamin Krysmann auf Anfrage des Dom mit.
Neben Paderborn wollen immer mehr Bistümer die Arbeitsrechtsreform schnell umsetzen. Vieles aus der beschlossenen Grundordnung ist schon seit Mai bekannt. In ungewohnter Transparenz wurde ein erster Entwurf im Frühjahr durch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) veröffentlicht. Im Vergleich dazu ist die nun beschlossene Fassung kaum geändert worden. Das war auch nicht zu erwarten. Nach dem Scheitern des Sexualethik-Grundtextes beim Synodalen Weg an der Sperrminorität der Bischöfe sowie vor allem nach dem Ad-limina-Besuch in Rom war kaum Raum für noch weitergehende Reformen als ohnehin schon vorgeschlagen.
Neues Kirchliches Arbeitsrecht als Paradigmenwechsel bezeichnet
Auch wenn der Entwurf vorsieht, dass Menschen, die bei der katholischen Kirche arbeiten und in zweiter Ehe oder in einer homosexuellen Partnerschaft leben, nicht mehr mit einer Kündigung rechnen müssen, geht dieser einigen Initiativen nicht weit genug, so auch der Initiative „#OutInChurch“. „Leider haben die Bischöfe es nicht geschafft, mich positiv zu überraschen“, sagt der Mitinitiator Jens Ehebrecht-Zumsande. Er bezeichnet den Entwurf „bestenfalls als ein Teilerfolg“. Er begrüße zwar, dass der Fokus sich weg bewege von der persönlichen Lebensführung der einzelnen kirchlichen Mitarbeitenden hin zum katholischen Profil der Institution, für die sie arbeiten. Die Grundordnung orientiere sich aber weiter an einem binären Geschlechtermodell, wonach es nur Frauen und Männer gäbe. Es bliebe daher offen, was mit Menschen geschehe, die sich damit nicht identifizieren können. Sie blieben somit weiterhin diskriminiert.
Die Caritas als größter katholischer Arbeitgeber sieht in dem Entwurf einen „Paradigmenwechsel“ und lobte längst überfällige Reformen. „Wir begrüßen es sehr, dass diese Grundordnung aus der Perspektive einer Institution erstellt ist, die einladend beschreibt, warum es sich lohnt, haupt- oder ehrenamtlich in ihr mitzuwirken“, sagt Diözesan-Caritasdirektorin Esther van Bebber. Von einem „überfälligen Schritt“ sprach das Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands bezeichnete die Reform als „Meilenstein“. „Nun muss niemand mehr seine sexuelle Identität verstecken.“ Zugleich forderten sie eine zügige und flächendeckende Umsetzung der neuen Grundordnung, damit kein Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen entstehe.
Kritik an der kirchlichen Grundordnung wird nicht abreißen
Doch mit Blick auf die gewerkschaftliche Seite wird die Kritik am kirchlichen Arbeitsrecht sicherlich nicht abreißen. Keine der Forderungen vor allem der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wird erfüllt. Weiterhin gilt eine eigene Mitarbeitervertretungsordnung statt dem Betriebsverfassungsgesetz, weiterhin bleibt Streik tabu, weiterhin keine unternehmerische Mitbestimmung. Wo es Änderungen in den Artikeln zum kollektiven Arbeitsrecht gibt, wurde lediglich in Formulierungen explizit gemacht, was ohnehin schon so praktiziert wird, etwa wenn ausdrücklich betont wird, dass vor kirchlichen Arbeitsgerichten allen Beteiligten ein Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt wird.
Doch auch wenn einigen Institutionen die Grundordnung nicht weit genug geht, muss betont werden, dass niemals zuvor ein kirchliches Gesetzgebungsverfahren so transparent war wie dieses. Wie schon bei der letzten Novelle wird eine Evaluierung festgeschrieben. In fünf Jahren hat sich der VDD die Grundordnung auf Wiedervorlage gelegt, um sie hinsichtlich Zweckmäßigkeit und Wirksamkeit zu bewerten.