Krisen meistern: Was braucht der andere?
Das Gewinner-Verlierer-Schema überwinden, so können Konflikte gelöst werden. (Foto: Kranich 17/Pixabay)
Im Frühling fühlt sich das Leben irgendwie leichter an. Obwohl die Probleme nicht weg sind, ist das Aufblühen der Natur ermutigend. Wir setzen daher unsere Reihe „Krisen meistern“ fort, in der wir Experten aus verschiedenen Bereichen um ihre Ideen gebeten haben.
Worauf kommt es jetzt an?
Ohne die Herausforderungen oder Krisen innerhalb der katholischen Kirche herunterspielen zu wollen – manchmal kann es helfen, über den eigenen Kirchturm hinauszublicken und wahrzunehmen, dass viele Fragen, die uns derzeit innerhalb unserer eigenen Kirche beschäftigen, auch in anderen Kirchen behandelt werden und dort in der Regel nicht weniger konfliktbehaftet sind als in unserer Kirche. Zugegeben – auf den ersten Blick mag das nicht besonders tröstlich sein, aber auf der anderen Seite kann es doch entlastend wirken, wenn wir uns nicht nur auf die vermeintlich oder tatsächlich spezifisch katholischen Konflikte konzentrieren, sondern wenn wir sehen, dass wir in ökumenischer Verbundenheit und Sorge nach Wegen suchen, unseren Glauben in der heutigen Zeit weiterzugeben. Und darüber hinaus können wir durch diesen Blick nach außen hin auch lernen, wie andere Kirchen mit Krisen und Konflikten umgehen.
Was können wir tun?
Ich möchte darum einen Blick auf eine andere Kirche werfen, nämlich die Evangelisch-methodistische Kirche (EmK). Sie zählt hier in Deutschland zu den kleinen Kirchen, ist aber im Weltmaßstab von der Größe her etwa vergleichbar mit den lutherischen Kirchen. Seit einigen Jahren gehört die Frage nach dem Umgang mit gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu den Konflikten, die nahezu alle Kirchen, die weltweit organisiert sind, zu spalten drohen oder sie tatsächlich schon gespalten haben.
Um in diesem Konflikt zumindest hier in Deutschland eine Spaltung zu verhindern, hat die EmK vor einigen Jahren einen „Runden Tisch“ eingerichtet. Beispielhaft daran sind für mich die Leitlinien für das Gespräch, auf die sich alle Teilnehmenden im Vorfeld geeinigt haben. Diese Leitlinien sind meiner Meinung nach – über den konkreten Streitpunkt hinaus – ebenso herausfordernd wie hilfreich, wenn es darum geht, bei schwerwiegenden Konflikten in Kirchen und Gemeinden im Gespräch zu bleiben und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Ich möchte von diesen Leitlinien nur einige besonders relevante hervorheben, an denen deutlich werden kann, was wir davon für das Gespräch miteinander auch und gerade über kontroverse Fragen lernen können.
„Wir unterstellen einander Gutes“
Damit verbunden heißt es im dritten Punkt ausdrücklich: „Wir unterstellen einander Gutes“. Wenn man sich manche Kommentare etwa zum Ausgang des Synodalen Weges anschaut, dann hat man nicht den Eindruck, dass hier der jeweils anderen Seite zunächst einmal Gutes unterstellt wurde und wird, ganz im Gegenteil. Man mag die Polarisierungen, die darin zum Ausdruck kommen, menschlich gesehen manchmal durchaus verstehen. Aber man muss sich zugleich die Frage stellen, ob diese Unterstellungen tatsächlich weiterhelfen oder nicht eher die Fronten verhärten. Oft genug sind sie theologisch zudem sehr einseitig oder fragwürdig oder sie übersehen, wie manche Kontroversen eben nicht nur unsere eigene Kirche, sondern die Kirchen weltweit betreffen und wie auch dort nur mühsam und manchmal leider auch vergeblich nach Lösungen gesucht wird. Das macht es nicht unbedingt leichter, solche Lösungen zu finden, aber es kann doch vor vorschnellen Antworten bewahren, die Fronten eben nur verhärten, statt sie aufzuweichen.
Und damit bin ich bei der letzten und vielleicht wichtigsten, weil herausforderndsten Leitlinie. Sie lautet: „Wir glauben einander den Glauben. Wir gestehen einander die Liebe zu Jesus Christus, zur Schrift, zu unserer Kirche und zu unserem Auftrag zu.“
Zum Autor
Dr. Burkhard Neumann (62) ist Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik und Leiter des Fachreferates Ökumene im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn. Als Seelsorger unterstützt er das Pastoralteam des Pastoralen Raumes An Egge und Lippe.
Warum lohnt es sich?
Zumindest hier in Deutschland hat es die EmK geschafft, sich nicht zu spalten, sondern als Ergebnis des „Runden Tisches“ trotz der weiterhin bestehenden unterschiedlichen Positionen beisammenzubleiben. Kann dieses Beispiel nicht auch dazu anregen, in ähnlicher Weise, auf der Basis dieser, wenn man genau hinschaut, zutiefst biblisch begründeten Leitlinien, vorhandene Konflikte und offene Fragen anzugehen und immer wieder zu versuchen, sich daran zu orientieren?
Das wird sicherlich nicht leichtfallen, weil der andere Weg, der dem anderen Dummheit, Ignoranz oder gar Böswilligkeit unterstellt und ihm den Glauben abspricht, natürlich viel leichter zu sein scheint und leider auch in der Vergangenheit wie in der Gegenwart viel eher begangen wurde und wird. In Paderborn hören wir jedes Jahr zum Libori-Fest im Evangelium die Worte Jesu: „Bei euch aber soll es nicht so sein“ (Lk 22,26). Wenn wir dieses Wort Jesu ernst nehmen wollen, dann könnten wir von den Erfahrungen einer anderen Kirche lernen, wie man es in die Tat umsetzt.
Schauen Sie doch mal in die aktuelle DOM-Ausgabe rein. Dort finden Sie eine Vielzahl an Berichten zur katholischen Kirche im Erzbistum Paderborn, deutschlandweit und auch weltweit. Es lohnt sich bestimmt.