Lernen ist Leben
Kaltrina, das Roma-Mädchen vom Renovabis-Plakat, lebt im Kosovo und kann dank Spenden zur Schule gehen. In einem Sozialzentrum in ihrer Nachbarschaft bekommt sie zudem Hilfe bei den Hausaufgaben und kann sogar ein Musikinstrument lernen. Foto: Achim Pohl/Renovabis
In den Tagen vor Pfingsten lädt das Hilfswerk Renovabis traditionell zur Pfingstnovene ein, also zu einer neuntägigen Andacht. In diesem Jahr widmen sich die Meditationen einem Thema, das irgendwie altmodisch klingt, aber – so lange Menschen miteinander zu tun haben – wohl nie von gestern sein wird: Herzensbildung.
von Claudia Auffenberg
Was genau damit gemeint ist und wie sie „geht“, darüber streiten sich die Gelehrten seit der Antike. Klar ist, dass Herzensbildung keine medizinische Angelegenheit ist und dass das Herz auch hier nicht das Organ ist, das den Menschen und viele andere Lebewesen am Leben hält. Klar ist aber, dass es mehr ist als die Ansammlung von Wissen, sogar noch mehr als die Fähigkeit, Wissen anzuwenden. Herzensbildung hat etwas mit dem anderen Menschen zu tun, mit dem Klima in der Gesellschaft und mit dem, was jeder dazu beitragen kann. Klar ist auch, dass sie dringend nötig ist und offenbar umso mehr, je mehr der Mensch an Faktenwissen hat. Schon vor Jahren schrieb Sascha Lobo, einer der bekanntesten Publizisten in Deutschland, wenn es um das Internet geht: „Wir brauchen eine digitale Herzensbildung.“
Wie man Bildung versteht, leitet sich davon ab, wie man den Menschen versteht: Welches Menschenbild ist Ausgangspunkt? Für Christen ist der Mensch Abbild Gottes. Daraus leitet sich seine Würde ab. Bildung heißt gestalten, formen, ausprägen, so jedenfalls hat es Adolph Kolping einmal formuliert. Der Mensch muss angeleitet werden, das zu werden, was in ihm angelegt ist, eben Abbild Gottes. Im Leitbild katholischer Schulen in Trägerschaft des Erzbistums Paderborn heißt es: „Erstes Erziehungsziel ist […], Menschen in einem umfassenden Sinn zur ‚Liebesfähigkeit‘ hinzuführen. Dazu gehört zunächst, ein festes Bewusstsein von der eigenen Würde und dem eigenen Gut-Sein zu erlangen. Dazu gehört aber auch, den Anderen als Gabe und Aufgabe zu erkennen.“
Der Begriff „Liebesfähigkeit“ gehört nicht zu denen, in denen Renovabis das Thema Herzensbildung entfaltet, doch am Pfingstsamstag geht es um Großherzigkeit und die kommt dem in gewisser Weise nahe. Im Text heißt es: „Wir haben unser Herz nicht dafür bekommen, dass wir es für uns behalten, also es nur für uns selbst reservieren. Wir sollen es öffnen und es ,pfingstlich‘ zum Schenken fähig und bereit machen.“ Verfasser der Novene ist der ungarische Priester Csaba Török. Dass es in jenem Land, von dem aus die europäischen Werte gerade so massiv infrage gestellt werden, solches Denken gibt, macht doch irgendwie Hoffnung.