Liebling der Saison
W. R. Wagner / pixelio.de
Man ist ja ein kulturell interessierter Mensch und geht ab und zu ins Theater, um etwas über das Leben zu lernen. Neulich gab es: „Der blaue Engel“, 1930 grandios verfilmt mit Marlene Dietrich und Emil Jannings.
von Claudia Auffenberg
Es ist die Geschichte einer unglücklichen Liebe zwischen der feschen Lola, einer Revuesängerin, und Prof. Rath, einem Gymnasiallehrer,den seine Schüler – und schon bald sogar Lola – „Prof. Unrath“ nennen. Man könnte die Geschichte auch so erzählen: Zwei Menschen, die ihr eigenes Leben hassen, ketten sich aneinander in der irrigen Hoffnung, der jeweils andere würde ihn/sie aus dem persönlichen Elend ziehen. Die Sache scheitert dramatisch. Irgendwie bedrückt verlässt man das Theater.
Am Morgen danach im richtigen Leben hat man es wieder mit einem (ehemaligen) Lehrer zu tun. Dieser feiert Geburtstag: schönes Lokal, gutes Essen, gesellige Runde. Die Begrüßung der Gäste verwebt der Jubilar mit einem Rückblick auf sein Leben: „Wann und wie sind die hier Anwesenden in mein Leben getreten?“ Es sind nicht immer große, bühnenreife oder dramatische Momente, aber es ist doch faszinierend, wie ein freundliches Wort hier, eine wohlwollende Aufnahme dort das Leben dieses Menschen prägten und prägen. Irgendwann hört man gar nicht mehr zu, weil man in Gedanken längst das eigene Leben durchstreift: Welche spielentscheidenden Begegnungen gab es bei mir? Wer war für mich zur richtigen Zeit am richtigen Ort? Wann sind die, die mich begleiten, dazugestoßen? Was für Menschen sind das? Und für wen könnte ich so jemand gewesen sein?
Was hat man nun gelernt im Theater und beim Geburtstag? In etwa dies: „Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht“, heißt so eine Redensart. Rein rechnerisch mag das stimmen, aber falsch ist es doch.