LOUDER THAN BEFORE – Jugendfestival in Hardehausen

Am Freitagabend tanzten die Gäste zu den Rhythmen des DJ-­Trios JackSayFree. Fotos: Martin Schmid

Von Martin Schmid

Hardehausen. „Machen die jetzt schon Soundcheck?“, fragt sich Iris, als von der 150 Meter entfernten Hauptbühne erste Geräusche zu hören sind. Es ist 8.15 Uhr an Tag zwei des Festivals. Iris sitzt mit ihren Freunden der Kolpingjugend Arnsberg auf dem Zeltplatz. Die Gruppe ist wach, aber irgendwie noch nicht bereit, zum Frühstück zu gehen und sitzt auf Campingstühlen zwischen ihren beiden Zelten. Die Nacht sei kurz gewesen, sagen sie. Irgendwo auf dem Gelände sei noch bis 3 Uhr früh Musik zu hören gewesen. Und auch den Wecker konnten sie sich offenbar sparen. Das Zelt nebenan besitzt eine eigene Box.

Wenn auch nur ein kleiner Teil der Gäste wirklich zeltete, hatte ­LOUDER ­THAN ­BEFORE (lauter als zuvor) alles zu bieten, was so ein Festival eben braucht: zwei Bühnen, diverse Stände für Essen und zusätzliche Angebote für den Zeitvertreib am Rande. Wer nicht ungeschmückt feiern wollte, konnte sich am Eingang Glitzertattoos ankleben lassen.

Wenig Zeit für Schlaf

Bereits das reguläre Programm ließ wenig Zeit für Schlaf. Zwar endete auf den großen Bühnen das Programm zwischen 22.00 und 23.00 Uhr, doch wer noch wollte, konnte bis nach Mitternacht in der Lounge Karaoke singen oder in der Klostermannshütte zu Schlager tanzen.

Es wird laut

­LOUDER ­THAN ­BEFORE wird seinem Namen gerecht. Am Samstagnachmittag dreht die österreichische Electro-Pop-­Band Solarjet richtig auf und es wummert selbst hinter den dicken Mauern der Landvolkshochschule. Der aus Zimbabwe stammende Musiker I-­Finton und seine Band sind auch laut, aber dafür gibt es entspannteren Reggae. Leisere Töne sind in der Kirche des Jugendhauses zu hören, als die Gruppe „Awakening“ aus Herne/Wanne-­Eickel die Zeit vor dem Morgengebet am Samstag gestaltet. Zusammen mit sechs weiteren Jugendlichen spielt Vikar Zaldy Antonio-­Abong Lobpreislieder. Überhaupt haben neben den etablierten Bands viele neue Gruppen aus dem Erzbistum ihre Chance auf einen Auftritt in der Kirche oder auf den Bühnen.

Die Förderung neuer Gruppen ist ein erklärtes Ziel, weiß Ute Balkenohl vom Erzbistum Paderborn. Sie ist, neben ihrer Stelle als Dekanatsreferentin für Jugend und Familie in Unna, Beauftragte des Erzbistums für christliche Popularmusik. „Wir wollten von Anfang an, dass die Teilnehmer so inspiriert werden, dass sie selber Musik machen und auf der Bühne stehen. So wie bei Caspar Beule.“ Der 22-Jährige aus Unna war früher Teilnehmer. Mittlerweile studiert er Popular-­Kirchenmusik an der Evangelischen Pop-­Akademie in Witten und bringt unter dem Namen „Herz-­Caspar“ sein eigenes Programm mit. An diesem Wochenende können sich neue Gruppen zudem von einem Agenten, der sich auf christliche Musik spezialisiert hat, beraten lassen.

Glaube mit Musik ausdrücken

„Junge Menschen brauchen ein Medium, mit dem sie ihren Glauben ausdrücken können. Und Musik ist immer noch das Medium von jungen Menschen“, sagt Ute Balkenohl. „­LOUDER ­THAN ­BEFORE heißt für mich: Wir erkennen an, dass christliche Musik nicht nur in die Kirche gehört, sondern, dass wir Glauben gerade mit jungen Menschen auf ganz viele unterschiedliche Weisen feiern können.“

Christliche Musik?

Die Musik ist nicht immer auf den ersten Blick anders oder christlich. Bekannte Lieder wie „Irgendwas bleibt“ von Silbermond oder „Don’t you worry child“ transportieren christliches Gedankengut, ohne explizit dafür geschrieben zu sein. In den Eigenkompositionen der angereisten Bands allerdings kommen Glaube und Jesus in den Texten vor. DJ FAITH aus Stuttgart beispielsweise spricht zu seinen Musikmixes gebets­ähnliche Texte wie: „Gott, du bist groß, danke, dass wir zusammen hier sein dürfen.“

Die meisten Jugendlichen sind wegen der Musik gekommen, um Gemeinschaft zu erleben oder neue Leute kennenzulernen. „Mir ist gesagt worden, dass das hier cool ist“, sagt Hedwig (19) von den Pfadfindern aus Meschede-­Eversberg und streckt ihren Kopf aus dem Zelt. „Ich gehe gern Zelten und hier hab ich einfach noch nie schlechte Erfahrungen gemacht.“ Allein der Ort Hardehausen ist für viele Jugendliche ein Argument zu kommen.

Das individuelle Gebet findet seinen Platz in der Kirche des Jugendhauses. Wer es eher still mag, kann sich dort den ganzen Tag zurückziehen, eine Kerze anzünden oder in der Seitenkapelle eine Fürbitte in den Sand malen. Auf dem gesamten Gelände stehen eine Reihe von Seelsorgerinnen und Seelsorgern jederzeit bereit für ein persönliches Gespräch. Zu erkennen sind sie an einem Aufkleber mit der Beschriftung „Ich bin ansprechbar´“. Diese Angebote kennzeichnen einen wesentlichen Unterschied von ­LOUDER ­THAN ­BEFORE zu einem normalen Festival. Neben Party und Musik ist eben auch Platz für jede Besucherin und jeden Besucher, für deren Sorgen und Nöte, dafür, wie sie an diesen Ort gekommen sind.

Raum für Sorgen

So wie die Messdienerin Inga aus Schloß Neuhaus. Sie leidet seit November 2020 an einer rätselhaften Krankheit, die ihre Arme und Beine schwächt. Daher ist sie an den Rollstuhl gebunden. „Ich will hier neue Kraft tanken für den Alltag“, sagt die 19-­Jährige. Trotzdem hat sie zusammen mit ihren Freundinnen Spaß und kann mit deren Hilfe sogar bei der Eucharistiefeier am Samstagabend Messe ministrieren.

Eine Kuh und eine Hüpfburg

Es ist ein fröhliches Festival, das auch mit Verrücktheiten aufwartet, die man kennt, wenn man christliche Jugendarbeit erlebt hat. So steht auf dem Platz der Messdiener aus Unna plötzlich eine Hüpfburg, die notdürftig mit einem Laubbläser befüllt wird. Vor das Haupthaus hat Michael Thiedig, ­Gemeindereferent aus Dortmund, überraschend eine blau-­gelbe Kuh auf den Boden gemalt. „Ich sollte eigentlich mit den Kreidesprays Smilys zeichnen, dann hatte ich diese Idee.“ Thiedig ist einer von ungefähr 75 haupt- und ehrenamtlich Helfenden. Mit etwa 250 ­vorverkauften Karten, ­Tagesgästen und Helfenden sind laut den Veranstaltern ca. 500 Menschen nach Hardehausen gekommen.

Individueller Segen zum Schluss

„Dankbarkeit sah man am Ende in vielen Gesichtern“, sagt Helena Schmidt vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Diözesanverband Paderborn. Zusammen mit Alexander Sieler vom Jugendspirituellen Netzwerk ­TABOR Lennestadt gestaltet sie den ­Abschluss-­Wortgottesdienst am Sonntag. Musikalisch wird er begleitet von DJ FAITH. Das mutmaßliche Kyrie mit dem bezeichnenden Text „This beat is going on“ ist eher gewöhnungsbedürftig. Trotzdem ist bei den Fürbitten Platz für Stille und die Lesungen untermalt DJ FAITH mit meditativen Sounds.

Nach dem Gottesdienst standen mehrere pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit, um für Einzelne, die das wünschten, einen Segen zu erbitten, sodass alle gestärkt, befreit oder wie auch immer nach Hause fahren konnten.

Info

LOUDER THAN BEFORE ist ein Veranstaltungsformat, das auf die Initiative mehrerer Dekanatsreferentinnen und -referenten für Jugend und Familie zurückgeht. Das erste ­LOUDER ­THAN ­BEFORE fand 2014 als Konzertabend in der Lindenbrauerei in Unna statt, zuletzt war es 2021 im Garten des Konrad-Martin-­Hauses in Paderborn. Ziel war und ist es, sogenannte christliche Popularmusik innerhalb des Erzbistums bekannt zu machen und zu fördern. Unter christlicher Popularmusik versteht man zum Beispiel Lieder und Gesänge moderner Musikrichtungen, wie Rock, Pop, Hip-­Hop, Gospel oder auch Reggae, die christliche Inhalte haben. Diese Musik entwickelte sich beispielsweise in evangelikalen und freikirchlichen Kontexten. Sie ist heute eine Alternative zum „Neuen Geistlichen Lied“, das sich nach dem Zweiten Vaticanum verbreitete. Anliegen der Initiatoren von ­LOUDER ­THAN ­BEFORE ist es, christliche Popularmusik auch außerhalb der Liturgie erlebbar zu machen, daher der Konzert- und Festivalcharakter. Im Erzbistum Paderborn gibt es mittlerweile einen eigenen Förderfonds für christliche Popularmusik.

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