Ludger Hojenski: „Ich erwarte Lösungsvorschläge“

Pfarrer Ludger Hojenski, Vertreter des Priesterrates, verfolgte die Synodalversammlung aufmerksam. (Foto: von Lachner)

Pfarrer Ludger Hojenski nimmt als Delegierter des Priesterrates am Synodalen Weg teil. Hautnah hat er die Enttäuschungen vieler Synodaler miterlebt, nachdem der Handlungstext zur Sexualmoral an der Sperrminorität der Bischöfe scheiterte. Der Dom sprach mit ihm darüber, wie es jetzt weitergehen muss. Mit Ludger Hojenski sprach ­Patrick Kleibold

Im Vorfeld der Synodalversammlung sagten Sie, es brauche jetzt Durchhaltevermögen. „­Ultreia“ (immer weiter) haben Sie gefordert. Für kurze Zeit sah es danach aus, als würde der Syno­dale Weg vorzeitig scheitern. Geht es tatsächlich immer noch weiter?

Ob er kurz vorm Scheitern stand, da bin ich mir nicht sicher. Ich habe aber einen deutlich spürbaren Schockzustand wahrgenommen. Im Vorfeld der Syno­dalversammlung habe ich öfter „Ultreia“ gesagt, nicht nur zu anderen, sondern vor allem zu mir selbst. Hin und wieder muss man sich die Dinge selbst sagen und vergegenwärtigen, sodass man dann bei seinen Worten bleibt. Konkret zu ihrer Frage: Ja, es geht weiter. Auf der Internetseite „­katholisch.­de“ habe ich in einem Kommentar darüber gelesen, dass der Syno­dale Weg bereits gescheitert sei, weil ein wichtiges Grundsatzpapier zum Leben in gelingenden Beziehungen nicht angenommen wurde. Ich sehe aber auch, dass er bereits an vielen Stellen geglückt ist, nicht nur weil es weitergeht, sondern weil die Synodalität in der Verschiedenheit der Menschen tatsächlich gelebt wird. Und ich sehe auch die positiven Abstimmungsergebnisse.

Wie ging es Ihnen an dem Donnerstagabend – nachdem der Handlungstext zum Thema Sexualmoral gescheitert war – persönlich?

Als ich die Abstimmungszahlen sah, war sofort klar, dass der Handlungstext nicht angenommen wurde. Und dann kam es sofort zu Reaktionen aus dem Kreis der Syno­dalen. Einige der jüngeren haben mit Plakaten für mehr Menschenrechte demonstrativ einen Kreis gebildet. Für einen Moment habe ich an meinem Platz verweilt und mit keinem meiner Sitznachbarn gesprochen. Dann kam mir der Gedanke, dass es nicht ausreicht, sitzen zu bleiben. Dann habe ich mich dazugestellt, um ihnen zu zeigen, ich bin solidarisch mit euch. Und da habe ich eine große Betroffenheit wahrgenommen. Einige Menschen haben die Abstimmung als eine persönliche Zurücksetzung und Diskriminierung erfahren. Und das, wofür der Syno­dale Weg angetreten ist, nämlich um Diskriminierungen zu verhindern, wurde in diesem Moment fortgesetzt. Das ist eine Katastrophe.

Auffallend war, dass die Bischöfe auf Initiative von Bischöf Bätzing vor weiteren Abstimmungen zusammengekommen sind, um sich zu beraten. Wie haben Sie das aufgefasst?

Die Zusammenkünfte waren notwendig und letztlich auch hilfreich. Die Zeitpunkte wurden jedoch kritisiert, da alle anderen Syno­dalen immer wieder auf die Bischöfe warten mussten. Die Bildung von Mehrheiten hätte bereits im Vorfeld stattfinden müssen. In der Politik geht man in die Fraktionen und führt Probeabstimmungen durch. Große Kritik kam auch auf, weil ein Großteil der Bischöfe sich im Vorfeld einfach nicht gezeigt haben. Sehr viele haben nicht an den Hearings teilgenommen, sie haben sich nicht bei den Anträgen beteiligt, sie haben ihre Kritik an den Texten nicht geäußert und relativ wenige Weihbischöfe haben sich in den Diskussionsrunden zu Wort gemeldet. Am Freitag haben dann über 25 Bischöfe persönlich Stellung bezogen. Da glaube ich, dass Bischof Bätzing sie in den Treffen nochmals dazu auf- oder herausgefordert hat.

Sie haben die Handlungstexte studiert und dafür gestimmt? Wie denken Sie über die Ergebnisse und das Abstimmungsverhalten? Ist es sogar gelungen, etwas Bahnbrechendes zu verabschieden?

Von Bahnbrechendem möchte ich nicht reden. Wirklich bahnbrechende Entscheidungen haben wir bei der vorangegangenen Versammlung erlebt, nämlich bei der Bereitschaft, die Grundordnung zu verändern und mit Blick auf das Erzbistum Paderborn, Laien und Laiinnen bei der Bischofswahl zu beteiligen. Auch wenn das Diözesankomitee kritisiert, dass es nicht beteiligt wurde, auch wenn der Nuntius in Berlin und Rom wegen des päpstlichen Geheimnisses Einschränkungen machen wird, wird es ein erstes Treffen geben, bei dem sich Laien und Laiinnen bei der Bischofswahl einbringen können.

Mit Blick auf dieses Treffen bin ich dankbar dafür, dass wir den Syno­dalen Ausschuss zur Vorbereitung des Syno­dalen Rates auf Bundesebene auf den Weg gebracht haben. Ich bin überzeugt, dass wir neben der hierar­chischen Grundstruktur in der Kirche, auch das Prinzip der Syno­dalität – wie Papst Franziskus es immer wieder anspricht – benötigen.

Auch wenn ich die Einführung der Pfarrgemeinderäte vor 50 Jahren aufgrund meines Alters persönlich nicht erinnere, so kam mir dieses Ereignis trotzdem in den Sinn. Das war damals ein wichtiger Schritt. Damals wurde eine Tür aufgestoßen. Das war wichtig, ebenso wie jetzt die Annahme des Grundtextes zur Frage Frauen in Diensten und Ämtern. Jetzt wurde erneut eine weitere Tür geöffnet. Daher ist es gut, dass alle Themen des Syno­dalen Weges von der Deutschen Bischofskonferenz in den ­Ad-limina-­Besuch und in die Welt­synode eingespeist werden.

Wie muss es nun in den kommenden Monaten weitergehen?

Von allen Syno­dalen erwarte ich ein gestärktes Interesse in der Mitarbeit in der Vorbereitung auf die nächste Versammlung. Ich erwarte eine intensive Auseinandersetzung mit den Texten und eine Teilnahme an den Hearings. In den Foren wird bereits viel gearbeitet, da habe ich großen Respekt vor. Vom erweiterten Synodal­präsidium erwarte ich einen gangbaren Weg, wie man die Zeit nutzen kann, um den entstandenen Entscheidungsstau aufzulösen. Wir müssen zu einem Ergebnis kommen, bei dem wir nicht sagen müssen, dies und jenes Thema ist leider auf der Strecke geblieben. Ich erwarte Lösungsvorschläge. Ich bin aber zuversichtlich, dass das gelingen wird.

Vierte Synodalversammlung des Synodalen Weges
4. Synodalversammlung des Synodalen Weges. Eine Protestmanifestation inmitten des Plenums nach der Ablehnung des Grundtextes „Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik“ durch eine Sperrminorität der Bischöfe. (Foto: von Lachner)

Was muss nun auf Bistums­ebene erfolgen und kann bereits auf Gemeinde­ebene etwas umgesetzt werden oder ist es dafür noch zu früh?

Grundsätzlich muss auf beiden Ebenen etwas passieren. Auf der Bistums­ebene haben wir die Situation, dass unser Erzbischof krankheitsbedingt ausfällt. An dieser Stelle wünsche ich ihm alles Gute. Wir haben aber auch noch die Weihbischöfe. Ähnlich wie es Michael Bredeck ausdrückte, müssen die Themen und die Beschlüsse des Syno­dalen Weges jetzt schon in das Zielbild 2030+ eingespeist werden. Ich erwarte ein Signal aller Bischöfe. Sie müssen sich nach außen erkennbar positionieren. Andere Bistümer haben sich bereits während des Syno­dalen Weges geäußert. Im Erzbistum sind wir etwas entwicklungsverzögert. Ich will das aber nicht zu stark kritisieren, denn ich sehe uns grundsätzlich auf einem guten Weg.

Auf der Ebene der Pfarrei ist mir wichtig, das Gespräch zu suchen. Aber nicht so, dass ich als Teilnehmer der Synodal­versammlung die Leute bespreche. Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir als Kirche wahrgenommen werden wollen, wie wir Menschen erreichen können, die nicht zu uns kommen und wo wir hingehen können, um andere und vielleicht auch störende Meinungen zu hören. Es muss doch möglich sein zu verstehen, warum so viele Menschen sich von uns abwenden.

Und als Pfarrer ist mir eines sehr wichtig und das werde ich weiter verstärken: Jedem meiner Pfarrgemeinderäte habe ich stets gesagt, dass ich zwar laut Satzung ein Vetorecht habe, davon jedoch keinen Gebrauch machen werde. Ich unterstelle mich der Entscheidung wie jedes andere Mitglied auch. Ich verstehe den Pfarrgemeinderat als ein wichtiges Leitungsgremium.

Diesen Blick wird nicht jeder Pfarrer mitbringen. Ihr Nachfolger könnte womöglich einen anderen, einen viel hierarchischeren Weg einschlagen. Welche Priesterrolle brauchen wir also zukünftig?

In drei meiner Gemeinden gab es häufig Pfarrer, die über einen sehr langen Zeitraum in der jeweiligen Gemeinde tätig waren. Eine solche Kontinuität kann sinnvoll sein, kann aber auch schaden. Wir haben auch eine Gemeinde, in der die Pfarrer häufiger wechselten. Da heißt es immer: „Pastöre kommen, Pastöre gehen, die Gemeinde bleibt.“ Diese Einstellung ist für mich die gesündere. Eine Überlegung könnte daher sein, dass Pfarrer nur für eine bestimmte Zeit in einer Gemeinde eingesetzt werden.

Die Frage nach der Priesterrolle ist auch eine Frage, die durch die Generationen geht. Sie muss von jedem Priester ausgestaltet und gelebt werden. Für mich kann ich sagen, dass mein Priestersein mit mir im besten Sinne des Wortes verwachsen ist. Der Ludger Hojenski als Person ist auch der Ludger Hojenski als Priester. Das hängt mir an, das geht mit mir, ich kann es mir nicht anders vorstellen.

Priesterrolle heißt auch: Ich bin Priester im Hier und Jetzt, umgeben von den Zeichen unserer Zeit. Das heißt, ich muss auch im Hier und Jetzt leben und dann kann ich nicht aus der Vergangenheit Dinge glorifizieren oder besonders hoch hängen. Daher ist es mir auch nicht wichtig, wie viele Spitzen mein Rochett hat. Nach vorne gesehen kann ich jedoch nicht alles umwälzen, nur weil ich Pfarrer bin, und weil ich glaube, in fünf Jahren ist das ganz genauso. Ich bin auch gebunden an das, was jetzt als Regelungen gilt. Aber ich habe mit anderen zusammen viele Gestaltungsmöglichkeiten und genau die möchte ich nutzen.

Vielen gehen die angestoßenen Prozesse nicht weit genug. Viele Synodale sprechen von einer bleibenden Skepsis. Was herrscht bei Ihnen vor, Enttäuschung, Frust oder doch Hoffnung?

Die Haltung, mit der ich in die Synodal­versammlung gegangen bin, war durchaus eine verhalten optimistische, weil das letzte Treffen einen positiven Verlauf genommen hatte und wir gelernt haben, miteinander zu arbeiten und aufeinander zu hören. Während der letzten Sitzung gab es jedoch keine grundlegenden Abstimmungen mit notwendigen Zweidrittelmehrheiten. Das war diesmal anders und hat bei einigen Syno­dalen zu einer bleibenden Skepsis geführt. Ich persönlich bin vielleicht nicht mehr ganz so erwartungsvoll, skeptisch bin ich aber nicht. Eine Kollegin sagte zu mir: „Mir reicht jetzt nicht mehr, wenn ich nur Bekenntnis höre. Ich möchte die dazugehörige Tat der Bischöfe erleben.“ Damit hat sie recht. Wenn Bischöfe etwas sagen, dann müssen sie es jetzt auch tun, ansonsten ist die Glaubwürdigkeit gänzlich dahin.

Weitere Berichte über den Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland unter: derdom.de

https://www.derdom.de/2022/09/22/jetzt-sind-die-bischoefe-dran-agnes-wuckelt-im-interview/
https://www.derdom.de/2022/09/13/fazit-nach-der-4-synodalversammlung-noch-luft-nach-oben/
https://www.derdom.de/2022/09/07/ludger-hojenski-blickt-auf-die-4-synodalversammlung/
https://www.derdom.de/2022/09/04/agnes-wuckelt-ueber-die-bevorstehende-synodalversammlung/
https://www.derdom.de/2022/09/08/kraft-und-trost-editorial-zum-synodalen-weg/
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