Märchenhaftes im ehemaligen Klostergarten
Ein Mann mit Profil: Heinrich Hoffmann von Fallersleben hat in der Region viele Spuren hinterlassen. Foto: Schäfer
Brakel-Bökendorf. Sie stammen aus einer weltberühmten Sammlung und sind nun auf einem weitläufigen Park- und Spielgelände für Jung und Alt zu erleben: Ob „Der Froschkönig“, „Schneewittchen und die sieben Zwerge“, „Hänsel und Gretel“ oder „Die Bremer Stadtmusikanten“, diese Figuren aus Grimms Märchen haben in Brakel-Bökendorf ihren großen Auftritt. Im Herzen des 800-Seelen-Dorfes im Weserbergland ist nun der außergewöhnliche Ludowinengarten entstanden. Benannt nach der rührigen Stiftsdame Ludowine von Haxthausen (1794–1872), soll der barrierefreie Park „zu Begegnungen von Senioren, Familien, Kindern und Jugendlichen anregen“, so Brakels Bürgermeister Hermann Temme.
von Martina Schäfer
Auf dem Areal, das fast 6000 Quadratmeter umfasst, stand einst die alte Grundschule und beherbergte auch den Klostergarten der „Heilig-Kreuz-Schwestern“, die mit Obst, Gemüse und Kräutern ihren Speiseplan bereicherten. Ludowine von Haxthausen machte sich dafür stark, dass die Ordensschwestern, deren deutsches Mutterhaus sich auf dem Rochusberg in Bingen befand, im Jahr 1856 nach Bökendorf kamen, um sich dort für die Kranken und Schwachen einzusetzen.
Kulturhistorische Wurzeln
Die Kongregation der Kreuzschwestern stammt ursprünglich aus Straßburg, wo Adèle de Glaubitz die Ordensgemeinschaft im 19.Jahrhundert gründete. Die „Bökendorfer“ Schwestern blieben bis 1983 in der Brakeler Ortschaft und hatten ihr Domizil dort, wo sich heute das Seniorenhaus St.Josef befindet.
Aber nicht nur an die klösterliche Geschichte des Ortes erinnert der hübsche Garten, sondern auch die kulturhistorischen Wurzeln. Nur einen Steinwurf entfernt, verweilten die Brüder Grimm oft in der Sommerfrische des Schlosses Bökerhof. Dort beim Romantikertreff, dem auch Annette von Droste-Hülshoff und Clemens von Brentano angehörten, hatten jene bekannten Grimm-Märchen ihr erstes Publikum.
Nachhaltiger Park
Der Ludowinengarten, umsäumt von Stauden, Sträuchern, Bäumen und Rasen, umfasst Aktionsbereiche, die fünf ausgewählte Märchen der Brüder Grimm im Blick haben: Vom bespielbaren Schloss des „Froschkönigs“ geht es zum Wasserspielrondell, das sicher die kleinen Besucher begeistern wird. Zwischen sieben sanften Wiesenhügeln begegnet man den „Sieben Zwergen“ aus Cortenstahl, über eine Balancierstrecke kann dort ein Eichhörnchenkobel erklettert werden. Ein offenes Hexenhaus mit Grillplatz und von „waldartiger Bepflanzung“ eingerahmt erinnert an „Hänsel und Gretel“. Geschwungene, asphaltierte Wege führen zu den einzelnen Märchenfiguren.
Dichter und Denker
Wild und urwüchsig erscheint das Umfeld der „Bremer Stadtmusikanten“, die als Skulptur zu erleben sind. „Das ist ein extensiv zu pflegender Gartenteil, in dem sich die Natur frei entfalten kann“, erklärt die Landschaftsarchitektin Anja Multhaup, die das von LEADER geförderte Projekt konzipiert hat. Um einen nachhaltigen Park zu erschaffen, hat Anja Multhaup Wert auf robuste und widerstandsfähige Materialien wie Robinienholz und Cortenstahl gelegt. Auch der Romantikerkreis ist Thema: An einer Audiostele in einem multifunktionalen Bereich erfahren die Besucher Wissenswertes über den Ort, den Literatenkreis, und sie können Grimms Märchen lauschen. Und auf den Stelen sind in Form von Scherenschnitten die Köpfe der großen Dichter und Denker, die in Bökendorf gewirkt haben, zu sehen.
Dem Garten vorausgegangen war eine Dorfwerkstatt, in der Bürger die zukunftsweisende Idee entwickelten. Die Initiatoren hoffen auf touristische Strahlkraft, denn der Park liegt als Rast- und Knotenpunkt zwischen den Tourismus-Musterdörfern Vörden und Bellersen.