Malerei in Corvey ist gefährdet
Franziska Tretow (rechts) und Karen Keller bei ihren Analysen. Sie nehmen die Wandmalereifragmente im Südseitenschiff der Erdgeschosshalle des Westwerkes unter die Lupe. (Foto: Kirchengemeinde Corvey)
Fachleute nehmen die einzigartigen, mehr als 1 100 Jahre alten Wandmalereifragmente im karolingischen Westwerk der UNESCO-Welterbestätte Corvey unter die Lupe. Gefährdet sind die Fresken vor allem durch Salz im Putz sowie eine Schutzschicht, die vor 60 Jahren aufgetragen wurde.
Höxter (CO/Dom). Luftfeuchtigkeit und Temperaturschwankungen können einer historischen Bausubstanz in bestandsgefährdender Tragweite zusetzen. Im Inneren des Westwerkes kommt zu den jahreszeitlich bedingten Schwankungen die anhaltende regnerische Witterung der zurückliegenden Monate erschwerend hinzu.
Deshalb sind in der Erdgeschosshalle und im Johanneschor Luftentfeuchter im Einsatz. Ob die Geräte für eine präventive Klimasteuerung ausreichen oder ob zusätzlich noch temperiert werden muss, wird sich zeigen. Unter der Regie des in Münster ansässigen Denkmalpflegefachamtes finden zurzeit über das fortlaufende Monitoring hinaus umfassende Messungen, Analysen und erweiterte restauratorische Untersuchungen statt.
Die Suche nach Zusammenhängen zwischen dem Klima und den bestehenden Schadensbildern
„Wir untersuchen die Zusammenhänge zwischen dem Klima und den bestehenden Schadensbildern an den Wandmalereifragmenten“, erläutert die das Forschungsprojekt betreuende LWL-Restauratorin Franziska Tretow. Die Analyse liefert Erkenntnisse, was restauratorisch zur Sicherung der sensiblen Substanz unternommen werden kann. Vor allem zwei Ergebnisse sind alarmierend.
Bei den detaillierten Nahfeld-Klimaerfassungen und im Monitoring haben sich in kurzen Abständen Veränderungen ergeben. Es handelt sich um Salze, die sich auf und in der Wand einlagern.
Die Fachleute wollen wissen, wo genau welche Salze stecken, ob vor allem auf der Oberfläche oder auch tiefer im Putz. Der Münchner Klimagutachter Dr. Horst Schuh hält es für angezeigt, die Salze zu untersuchen – auch unter dem Blickwinkel, ob auf den Oberflächen andere Salze liegen als tiefer im Putz. Dazu sind Millimeter-Bohrungen nötig.
Zweites Problem ist selbst gemacht
Nachdem die Wandmalereifragmente im Westwerk in den 1960er-Jahren freigelegt worden waren, brachten Fachleute auf Teile der Oberflächen im Südseitenschiff der Erdgeschosshalle und in den Emporenbereichen des Johanneschores ein silikatisches Putzfestigungsmittel auf. Dieser Flüssigglas-Überzug kann nicht entfernt werden. Das ist auch deshalb fatal, weil er inzwischen Risse aufweist. Diese lassen die Fläche darunter wie gesprungenes Glas erscheinen. Das setzt der Malerei zu.
Die feinen Risse, vergleichbar mit einer zersprungenen Autoscheibe, sieht man nur mit dem Mikroskop. Das bloße Auge erkennt jedoch, wie stark der Schmutz und der Überzug die ohnehin schon blassen Farben noch weiter eintrüben. Drücken sich die Salze durch die feinen Risse der Silikat-Schicht an die Oberfläche, könnten sie dabei die Oberfläche mit den Farbpigmenten nach vorne drücken und schädigen.
Diese schädliche Silikat-Schicht hat die Corvey-Forscherin Hilde Clausen (1919–2009) in den 1990erJahren entdeckt. Befunduntersuchungen aus der Zeit um 2020 geben Aufschluss darüber, dass 26 der insgesamt 45 kartierten Bildpläne betroffen sind. Die berühmte Odysseus-Szene in Corvey ist zum Glück nicht darunter. Karen Keller, die restauratorische Fachbauleitung, hat im Südseitenschiff im Erdgeschoss einige der 26 Flächen probehalber oberflächlich gereinigt. Das Ergebnis stimmt sie hoffnungsvoll. Die Farben sind wieder kräftiger. „Mit einer Putzsicherung und Reinigung gewinnen wir auch optisch viel“, atmet die LWL-Restauratorin Franziska Tretow auf.
Die Beteiligten hoffen, dass sie im nächsten Jahr aufgrund ihrer Analysen mit der Restaurierung der Wandmalereien anfangen können – damit die bedeutenden Zeitzeugnisse den Menschen weiterhin so eindrucksvoll vermitteln, wie die Benediktinermönche vor mehr als 1 200 Jahren die Verkündigung des Evangeliums wirkmächtig umgesetzt haben.
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