15.07.2016

Martha, komm aus der Küche!

„Martha, komm aus der Küche“, sagt vielleicht die ältere Frau , „der Herr ist da und möchte, dass du seine Botschaft aus erster Hand, also von ihm selbst hörst.“ / Gemälde von Diego Valesquez aus der Zeit um 1620 (dpa)

Wer wirklich Christ sein will, muss sich ganz auf Christus einlassen: Gedanken zu Lk 10,8-42.

von Klaus Krüger

Eine Gemeinde hatte hohen Besuch. Der Bischof kam zur Visitation. Alles war bestens vorbereitet, die Messe in der geschmückten Kirche, ein Blumen-Torbogen zum Empfang und natürlich ein Essen für ausgewählte Teilnehmer.

In der Messe sollten auch die Jugendlichen mit einem Text zu Wort kommen. Die Vorbereitung mit der Jugendgruppe übernahm der Vikar. Als er den Text vorstellte, löste er heftigen Protest aus. Er war in der Sprache der Jugendlichen verfasst und beinhaltete eine Stelle, wo auch Probleme angesprochen wurden. Einige im Pfarrgemeinderat waren der Ansicht, dies würde einen schlechten Eindruck machen und „bei uns“ müsse sich der Bischof „so was“ nicht anhören. Man einigte sich auf einen „neutralen“ Text. Der Vikar ließ sich im Interesse der Jugendlichen nicht auf einen „schönen“ Text runter-handeln.

Es ist menschlich, bei hohem Besuch einen guten Eindruck machen zu wollen. Das war auch Martas Anliegen, als sie Christus freundlich aufnahm. Sie war enttäuscht, dass der Herr ihre Mühe nicht wie erhofft würdigte. Maria hat das Bessere gewählt. Im griechischen Originaltext heißt es sogar, „Maria hat sich das Gute erwählt, welches nicht von ihr genommen wird.“

Christus kommt nicht, um sich verwöhnen zu lassen, sondern stellt „das Gute“ zur Wahl. Im Text geht es hierbei nicht um „gute Worte“ oder eine theologische Rede, denn was Maria hörte, wird gar nicht erwähnt. Sie wählte nicht (nur) was sie hörte, sondern wen sie hörte – Christus. Maria wählte, Christin zu sein. Marta wählte, was ihr aufgrund „vieler Sorgen und Mühen“ wichtig erschien.

Auch wir haben die Wahl – und wir haben „Sorgen und Mühen“. Diese trüben den Blick aufs Wesentliche, persönliche Interessen und Eitelkeiten auch. Christsein ist keine leichte Entscheidung. Die Welt setzt andere Prioritäten. Hier stehen sich Menschen als Konkurrenten um Ansehen, Einfluss, Wohlstand und Geld gegenüber. Es gilt eigene „Interessen“ durchzusetzen. Christsein kann hierbei ziemlich lästig sein. Wem ist es schon egal „was die Nachbarn sagen“, was die Gemeinde oder der Bischof über einen denken. Nein, egal ist es nicht, denn wir leben in dieser Welt und unseren soziokulturellen Bezügen. Dennoch dürfen uns weder Sorgen noch Eitelkeiten verleiten, Christus zum „Gast“ zu degradieren. Gäste gehen wieder, Christus aber will bleiben; nicht als „Dauergast“, sondern als „Das Gute“, das dem nicht mehr genommen wird, der Ihn wählt.

Christus will uns nahe sein. Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und ist nicht vor ihm auf die Knie gefallen. Dies ist kein Ausdruck mangelnder Frömmigkeit, sondern verweist auf eine persönliche, unbefangene und innige Nähe. Dies ist nur in der christlichen Liebe möglich, nur in ihr sind wir wirklich Christus nahe.

Wer dem Herrn nur einen Gast-Status einräumt, läuft Gefahr, enttäuscht zu werden. Man hört zwar die Worte, versteht Ihn aber nicht. Enttäuschung, Sorgen und Eitelkeiten neigen zum Frust. Man rechtfertigt sein Tun, denn man ist doch die einzig wahre Kirche, hat den richtigen Glauben, die richtige Liturgie, die wahre Lehre, das wahre Amt und das wörtliche Wort Gottes.

Hier setzt sich die Eitelkeit durch. Die Liebe aber setzt sich dem Herrn zu Füßen. Die christliche Liebe macht Glauben, Kirche, Liturgie, Lehre, Amt und Evangelium zum Angebot und nicht zur Hürde. Ohne Liebe zelebrieren wir uns selbst, die Liebe aber feiert Eucharistie. Das heißt übersetzt „Dank sagen“. Das macht bescheiden und nicht eitel.

Christsein ist keine leichte Entscheidung – aber „die ­Gute“.

Der Autor ist Mitarbeiter am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik in Paderborn und Polizeiseelsorger.

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