26.08.2016

Meine Demut ist mein ganzer Stolz

Platzhirsche müssen sich im Reich Gottes womöglich umorientieren. Foto: dpa

Demut und Stolz liegen nicht selten nahe beieinander.

von Sr. Christhild Neuheuser

„Meine Demut ist mein ganzer Stolz.“ – Wer solch einen Satz von sich gibt, ist entweder erstaunlich naiv oder will sich mit hintergründigem Spott selbst auf den Arm nehmen. Es könnte auch jemand sein, der die Platzanweisung Jesu aus dem heutigen Evangelium hinsichtlich der Eindeutigkeit von ersten und letzten Plätzen hinterfragen will. Keineswegs immer sitzen ja die Stolzen auf den ersten Plätzen und die Demütigen auf den letzten. Es gibt genug Leute, die sich aus angeblicher Bescheidenheit auf den letzten Platz setzen, dort aber höchst unzufrieden mit ihrer Position sind und eifrig über „die da oben“ herziehen; und auf den ersten Plätzen sitzen – dankenswerterweise – oft Leute, denen es nicht um die eigene Ehre geht, sondern um eine wichtige Sache, um einen verantwortlichen Dienst.

Auch ein Blick in unsere Kirchen und auf die Platzverteilung beim sonntäglichen Gottesdienst könnte den irreführenden Eindruck vermitteln, dass es weit mehr „Bescheidene“ als „Anmaßende“ unter uns gibt, denn die hinteren Reihen sind zumeist viel dichter besetzt als die vorderen. Was Jesus mit ersten und letzten Plätzen meint, bedarf einer tieferen Sicht.

Liest man seine Rede vom letzten Platz im Zusammenhang mit seiner anschließenden Aufforderung, nicht Freunde, sondern Arme und Behinderte zum Essen einzuladen und mit dem darauf folgenden Gleichnis vom Festmahl im Reich Gottes, dann wird deutlich, dass es ihm nicht darum geht, Knigge-­Anweisungen zu geben bzw. peinliche Situationen zu vermeiden. Es geht ihm darum, gleichnishaft die Umkehrung irdischer Maßstäbe im Reich Gottes darzustellen, wo die Ausgestoßenen zu Geladenen werden, die Armen zu Beschenkten, die Kleinen zu Großen und die Sünder zu Erlösten.

Viele Menschen, die das Evangelium zum Quellgrund und Maßstab ihres Lebens gemacht haben, können uns in Wort und Tat davon Zeugnis geben. Ihren „Platz“ suchen sie nicht „oben“ oder „unten“, sondern dort, wo Gott sie hinstellt. So sagt Adolph Kolping: „Gott stellt jeden dahin, wo er ihn braucht.“ Und ganz ähnlich Pauline von Mallinckrodt: „Ich will da stehen, wo Gott mich haben will, und die Werke tun, die er von mir verlangt.“

Die wahrhaft Glaubenden wissen sich geliebt und wertgeschätzt von Gott und brauchen deshalb nicht anderswo ihre Ehre zu suchen. Sie haben auch das Vergleichen aufgegeben; denn sie wissen: Im Herzen Gottes gibt es nur „erste Plätze“. Und dieser „erste Platz“ im Herzen Gottes drängt sie zu entsprechendem Handeln, zu Herzlichkeit und Barmherzigkeit, zum Einsatz für „die am Rande“.

Wenn Jesus im heutigen Evangelium dem Gastgeber sagt, er solle nicht Freunde, Verwandte und reiche Nachbarn einladen, sondern jene, die es ihm nicht vergelten können, dann will er wohl nicht jede übliche Geselligkeit ablehnen. Er will bewusst machen, dass es im Reich Gottes nicht um Vergelten und Verdienen geht, nicht um scheinbar gerechte Leistung und Gegenleistung, sondern um Beschenken und Beschenktwerden, um eine Einladung, die nicht „verdient“ werden kann.

Da die Vollendung im Reich Gottes noch aussteht, wird uns solch eine Haltung nur ansatzweise gelingen. Sie könnte aber zur Überwindung der weltweiten wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten führen. Auf der politischen Ebene wird es vorerst dazu wohl keine Mehrheiten geben. Papst Franziskus sagt: „Die Mächtigen haben Angst vor dem christlichen Glauben, denn er zeigt ihnen, dass Gott zu den Kleinen hält.“ Würden aber die Mächtigen und Reichen die Armen der Welt an ihren Tisch einladen, dann könnten sie eine ganz neue Glückserfahrung machen. Dann würde auch ihnen die Verheißung gelten: „Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten.“

Sr. Christhild Neuheuser ist Schwester der Christlichen Liebe und Teammitglied im Haus Maria Immaculata, Paderborn.

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