Meisterliche Kunst aus Frauenhand
Motiv eines Chamer Fensters mit dem Werkstitel „Liebe“ zum Thema: Der erste Anfang mit der Erschaffung Adams und Evas. (Foto: Atelier Maqsoodi)
Mahbuba Maqsoodi stammt aus Afghanistan, ist Muslima und gestaltet Kirchenfenster – so jetzt für die Pfarrkirche St. Josef in Cham im Bayerischen Wald. Im Glasstudio Peters in Paderborn führt die Künstlerin die letzten Pinselstriche ihrer Glasmalerei aus.
Cham/Paderborn. Noch in diesem Jahr dürfte aus der Chamer Pfarrkirche St. Josef – ein schlichter Nachkriegsbau mit einfachen Glasfenstern – ein Pilgerort für Kunstinteressierte und Gläubige werden. Ein Farbenspiel aus Blau, Violett, Rot, Orange und Gelb, das im Sonnenlicht seine ganze Strahlkraft entfaltet, wird die Erhabenheit eines sakralen Raumes unterstreichen und eine mystische Erfahrung widerspiegeln, in der Grenzen verschwimmen. Der Regenbogen als unverbrüchliches Zeichen des Bündnisses Gottes mit den von ihm geschaffenen Menschen durchdringt diese Kirche und verkündet eine einzigartige Glaubensbotschaft.
Malerische Virtuosität, ein dynamischer Duktus und die vollkommene Beherrschung des Materials Glas zeichnen dieses Projekt aus, dem sich Mahbuba Maqsoodi nach einem gewonnenen Künstlerwettbewerb gestellt hat. Die in München lebende Künstlerin gestaltet die 14 Glasfenster komplett neu, indem sie die ganze Dynamik der menschlichen Existenz in die Sprache heutiger Lebenskultur übersetzt. Und zwar mit alttestamentlichen und neutestamentlichen Motiven. Dabei sollen diese „deutungsoffen bleiben“, wie Mahbuba Maqsoodi sagt: „Ich überlasse die Interpretation dem Betrachter, ich kann nichts vorgeben außer eine kompositorische Bewegung mitzudenken: Wohin geht der Blick des Betrachters zuerst, bevor er das ganze Fenster sieht?“
Berührung mit christlicher Kunst im Studium
Das bedeutet nun nicht, dass die aus Afghanistan stammende Muslima keinen engen Bezug zu biblischen Geschichten hat. Oder zu den großen Themen der christlichen Religion. Im Gegenteil: Von Kindesbeinen an, aufgewachsen in einem liberalen Elternhaus im afghanischen Herat, beschäftigt sich Mahbuba Maqsoodi mit biblischen Narrativen in der Literatur und kommt im Kunststudium in Sankt Petersburg mit christlicher Kunst aller Epochen in Berührung. Ihre Bereitschaft entwickelt sich, Religion als ein Thema zu entdecken, das nicht getrennt ist vom alltäglichen Leben. Weil sie, wie sie selbst sagt, ein Mensch sei, der an das Humane glaube, an die Zusammenhänge, die der unsichtbare Gott geschenkt habe.
So erzählen ihre Figuren auf den künftigen Chamer Glasfenstern in einer sprachfähigen und zugleich rätselhaften Weise zwar auch biblische Begebenheiten wie die Erschaffung von Adam und Eva bis hin zur Auferstehung Jesu. Doch Mahbuba Maqsoodi verbindet sie mit eigenständigen Bildern von Liebe und Verzweiflung, von Hoffnung, von so Banalem wie einem Smartphone, „weil Trennungen nicht funktionieren, es gibt kein Schwarz-Weiß-Denken“, erklärt die Künstlerin.
Weibliche Pinselführung
Schon die Entwürfe der Chamer Fenster auf Papier im Maßstab 1 zu 10 zeigen bereits, wie Formen, Linien, Farben ineinanderfließen. Sie künden von einer weiblichen Pinselführung. Von meisterlicher Kunst aus Frauenhand, die sich durchaus kritisch mit überkommenen Ansichten, Lehren und Denkmustern auseinandersetzt. Auch mit denen in der Kirche. Denn „wir sind im 21. Jahrhundert, und es muss die Wahrnehmung der globalen Situation auch so reflektiert werden in der künstlerischen Arbeit“, betont Maqsoodi.
Der von ihr geschätzte Bamberger Theologe und Therapeut Georg Beirer sagt zu den Fenstern, dass sich in deren Bildern „Geschichte, Gegenwart und zukünftige Handlungsspielräume begegnen“, in einer „Brechung der Wirklichkeit, die Maqsoodi in ihrer eigenen Biografie erlebt hat“. Beirer weitet den Blickwinkel und spricht davon, dass die Chamer Fenster „den Menschen mit hineinnehmen in die elementaren Erfahrungen seiner Menschwerdung unter den Bedingungen heutiger Wirklichkeit“. Die Fenster würden den Menschen ansprechen in seinen Gefährdungen ebenso wie den Herausforderungen seiner Selbst- und Weltgestaltung. Der promovierte Theologe: Im einfallenden und sich brechenden Licht aktualisiere sich neu die Heilsgeschichte als bleibende Gegenwart Gottes mitten unter den Menschen, im Menschen selbst, seinem Werden und Begegnen.
Judith Geilhaupt setzt die künstlerische Handschrift auf Floatgals um
Mahbuba Maqsoodi hat ihre originalen Fensterentwürfe der Glasmalerin Judith Geilhaupt anvertraut, die im Paderborner Glasstudio Peters in kongenialer Weise die künstlerische Handschrift auf Floatglas umsetzt. Viele Arbeitsschritte, letzte eigenhändige Pinselstriche von Maqsoodi sind notwendig, bevor die Glasfenster tatsächlich ihre Bestimmung im oberpfälzischen Cham finden. Dennoch zeigt sich jetzt schon die Künstlerin „komplett zufrieden“ mit ihrer Glasmalerei, die ihr unerschöpfliches Potenzial einmal mehr unter Beweis stellt. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde die seit 1994 in Deutschland lebende Künstlerin bekannt, als sie 29 der insgesamt 32 Fenster in der Abteikirche St. Mauritius Tholey gestaltete. Gerhard Richter vervollständigte die ausdrucksstarken Kompositionen mit drei abstrakten Chorfenstern.
Marion Krüger-Hundrup
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