Mit der „Posaune Gottes“ unterwegs
In Taitung begrüßte Jennifer Chen (rechts), Direktorin des katholischen St. Marys Hospital, Agnes (Mitte) und Michael Ptok mit ihren Dolmetscherinnen.
Bielefeld (jon). Überrascht vom Ausmaß der Begeisterung für die heilige Hildegard von Bingen sind Agnes und Michael Ptok aus Bielefeld von einem Besuch in Taiwan zurückgekommen. Der Besuch kam auf Einladung der katholischen Fu-Jen-Universität in der Hauptstadt Taipeh zustande. Grund: Der Allgemeinmediziner Michael Ptok ist auch Präsident der internationalen Gesellschaft Hildegard von Bingen mit Sitz im schweizerischen Engelberg.
In Taiwan gebe es ein großes Interesse an traditioneller europäischer Medizin, insbesondere an Hildegard von Bingens Heil- und Heilskunde, berichtet Michael Ptok. Seit 2009 ist er Präsident der internationalen Gesellschaft Hildegard von Bingen mit etwa 1 800 Mitgliedern aus verschiedenen Ländern. Ziel der Gesellschaft sei es, die Botschaften der heiligen Hildegard von Bingen für die heutige Zeit zu übersetzen, sagt Ptok. Hildegard sei im besten Sinne eine „Prophetin“, eine „Posaune Gottes“, die für die Menschen verschiedenster Zeiten die zeitlos aktuellen Geheimnisse Gottes ausspreche.
Hildegards überliefertes Wissen zur Naturheilkunde stellten die Bielefelder, die beide auch ein Studium der katholischen Religionspädagogik absolviert haben, in einem vierstündigen Vortrag bei einem Naturheilkunde-Kongress vor. Der Kongress fand an der katholischen Universität aus Anlass des fünften Jahrestages der Erhebung Hildegards zur Kirchenlehrerin statt. Für 33 Fachärzte führte das Ehepaar zudem einen ganztägigen Ärzte-Workshop zu Hildegards Heilkunde durch.
Bei einem Besuch im katholischen Barmherzigkeitskrankenhaus Mercy Hospital Hsinshu im Nordwesten der Insel hielten Agnes und Michael Ptok einen weiteren Vortrag zum Zusammenwirken von wissenschaftlicher Medizin und Naturheilkunde. Anlass war das Vorhaben des Vizedirektors der Klinik, Dr. Liu, die Hildegard-Medizin und Naturheilkunde in die medizinische Arbeit zu integrieren. „Er versteht diese nicht als Alternative, schon gar nicht als Gegensatz, sondern als Ergänzung zur wissenschaftlichen Medizin“, betont Michael Ptok.
Es folgte ein zweitägiger Besuch mit Fastenvortrag bei den hildegardisch fastenden Benediktinerinnen im Norden Taipehs, bevor es nach Taitung an der wenig bewohnten Ostküste ging. In Taitung wurde das Ehepaar Ptok von Direktorin Jennifer Chen zum nächsten Hildegard-Vortrag im katholischen St. Marys Hospital begrüßt. Zum Krankenhaus zugehörig ist auch eine weitere Station im bewaldeten Zentralgebirge der Ureinwohner, den Aborigines. In dem kleinen Dorf Taiyuan leben überwiegend alte Menschen, da die jüngere Generation wegen der Arbeit in die großen Städte abgewandert ist. Neben der Kirche ist unter einem überdachten Dorfzentrum ein für alle Bewohner attraktiver Treffpunkt geschaffen worden, der der Vereinsamung begegnet. In einer dort im Aufbau begriffenen kirchlich finanzierten Arztpraxis soll sowohl Bewährtes aus der traditionell chinesischen als auch der Hildegard-Medizin integriert werden.
In Taitung zurück nahm das Bielefelder Ehepaar an der Einweihung eines Hildegardgartens teil, der in einem zukünftigen Ausbildungszentrum für Arbeitslose liegt. Dafür war der zuständige Bischof eigens 200 Kilometer angereist. Ein weiterer Höhepunkt war für Agnes und Michael Ptok ein Vortrag in der Industriestadt Kaohsiung. Statt der erwarteten 20 Interessenten kamen mehr als 200 Besucher zu dem sehr kurzfristig angesetzten Vortrag in der katholischen Domgemeinde.