Mit Seife und Selbstvertrauen
Eine handelsübliche Küchenmaschine reicht der Schülerfirma aus, um ihre meerblaue Flüssigseife in der Gesamtschule Kamen herzustellen. Fotos: Keine/Herbers
Dortmund/Kamen. An die 20 Neuntklässler stehen um eine Küchenmaschine herum. Das Gerät brummt, mixt verschiedene Zutaten. So mancher der Jugendlichen scheint sich zu fragen: „Geht das auch gut?“ Doch dann ist die Maschine fertig und was zum Vorschein kommt, ist schaumig. Ein paar Tage muss die Flüssigkeit ruhig stehen – und dann ist sie fertig: die Flüssigseife made in Kamen. Die Neuntklässler aus dem Kreis Unna haben sich nicht nur die Mixtur überlegt. Sie kümmerten sich um das Marketing, kalkulierten Preise und organisierten den Verkauf, die Buchhaltung. Doch das ist nicht alles – vor allem haben sie in diesem Schuljahr beim Projekt „Hauptschüler als Unternehmer“ enorm viel Selbstvertrauen gewonnen. Das nutzen sie jetzt, um in der Arbeitswelt Fuß zu fassen.
von Wolfgang Maas
Aber warum stellen die Jugendlichen, die in die extra für das Projekt gegründete Klasse 9c gehen, eigentlich ausgerechnet Seife her? „Was brauchen sowohl Jungen und Mädchen?“ – So formuliert Jana-Maria Keine die Ausgangsfrage. Keine ist stellvertretende Vorsitzende des Vereines Campus-Weggemeinschaft, der die Trägerschaft übernommen hat. Gleichzeitig arbeitet sie als Junior-Managerin in der Jugendbildung bei der Kommende Dortmund.
Durch diese enge Verbindung zum Sozialinstitut des Erzbistums Paderborn entstand ein Kontakt zu dem Unternehmen „La mer Cosmetics AG“ in Cuxhaven. Prälat Dr. Peter Klasvogt, der Direktor der Kommende, kennt den Geschäftsführer des mittelständischen Familienunternehmens und vermittelte. Bei „La mer Cosmetics“ schlug man schließlich Seife als Produkt vor – alleine deshalb, weil sie jeder braucht.
Das Unternehmen aus dem Norden sah aber noch einen weiteren Vorteil. „Sie haben Seife bereits mit ihren eigenen Praktikanten hergestellt“, erklärt Jana-Maria Keine. Das sei nicht so kompliziert, auch Laien können sich schnell einarbeiten.
Die Hauptschülerinnen und -schüler informierten sich zunächst vor Ort bei „La mer Cosmetics“, absolvierten dort einen Workshop im Labor. Mitarbeiter aus der Produktion sowie aus der Abteilung für Marketing besuchten schließlich die Kamener Jugendlichen, gaben wertvolle praktische Tipps.
Produziert wurde in der Gesamtschule Kamen, was Keine als „geglückte Zusammenarbeit“ bezeichnet. Hier fand sich ein sogenannter Sammlungsraum hinter einem Chemieraum, der nicht genutzt wurde. Für die Hauptschule war das ein Volltreffer. „Hier konnten wir unsere Rohstoffe lagern“, ist Jana-Maria Keine dankbar.
Einmal in der Woche kamen die Hauptschüler zu einem fixen Zeitpunkt in ihr eigenes kleines Labor, das im Kern aus besagter Küchenmaschine bestand. An die 130 Packungen Flüssigseifen sind so innerhalb eines Schuljahres entstanden. Das entspricht zwei bis drei Chargen pro Unterrichtseinheit im Labor.
Als Höhepunkt bauten die Neuntklässler ihren eigenen Verkaufsstand auf dem Kamener Wochenmarkt auf. Dort brachten sie ihr Produkt direkt an den Mann beziehungsweise die Frau – und auch an solche, die von dem ambitionierten Projekt noch gar nichts gehört hatten. Überzeugen gehört eben auch zum Verkaufen.
Ein solches umfangreiches Projekt, das das gesamte Schuljahr 2016/2017 beanspruchte, ist ungewöhnlich. „Zwar existieren in Deutschland bereits sogenannte Entrepreneurship-Seminare, diese richten sich jedoch in der Regel meist an Gymnasien“, heißt es in einer Konzeptbeschreibung der Projektpartner.
Innovativ sei das mit dem ersten Platz beim Schulpreis „Wirtschaftswissen“ der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dortmund ausgezeichnete Vorhaben, Hauptschülern das Unternehmertum näherzubringen, auch deshalb, weil „dieses Projekt aus der Vermittlung und dem konkreten Umsetzen von unternehmerischen Fähigkeiten an sozial benachteiligte Jugendliche“ besteht, wie die Organisatoren weiter schreiben. Dabei war die Teilnahme absolut freiwillig.
Neben dem Wissen über das Produkt Seife an sich, über nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen oder dem Jonglieren mit Zahlen in der Buchhaltung machten die Jugendlichen vor allem eine wichtige Erfahrung. „Das Seminar soll einen geschützten Raum darstellen, in dem die Jugendlichen Wertschätzung erfahren und in dem sie so ihre Persönlichkeit weiterentwickeln und ihr Selbstbewusstsein stärken können.“
Mit „La mer Cosmetics AG“, das die Jugendlichen auch zu einer Exkursion in ihr Werk in Cuxhaven einlud, fanden die Verantwortlichen einen idealen Partner aus der Praxis. Das Unternehmen nutzt beispielsweise einen aus Meeresschlick gewonnenen Wirkstoff, um Hautpflegeprodukte nachhaltig natur- und umweltbewusst herzustellen.
Für den Verein Campus-Weggefährten ist das Projekt „Hauptschüler als Unternehmer“ ein Pilotprojekt. „Es läuft weiter im nächsten Schuljahr“, betont Jana-Maria Keine. Dann könnte der Verkaufsstand der Jugendlichen nicht nur bei Schulfesten aufgebaut werden, sondern auch regelmäßig auf dem Kamener Marktplatz.