Mittendrin im Geschehen
Das Jesuskind war draußen– dort, wo die Menschen leben: im Wohnblock vor einer Graffiti-Wand mit Stern. Das Motiv ziert die Bielefelder Grußkarte. Foto: Eva-Maria Nolte
Wie sieht Heiligabend im Corona- Jahr 2020 in der Großstadt und wie auf dem Land aus? Der Dom hat sich auf Spurensuche begeben und stellt exemplarisch zwei Gemeinden vor, die stellvertretend für die vielen kreativen Konzepte im Erzbistum Paderborn stehen.
Bielefeld. „Wir wollten Heiligabend möglichst verlässlich sein, um nichts kurzfristig absagen zu müssen“, sagt Eva- Maria Nolte, Gemeindereferentin in „Liebfrauen“ im Pastoralverbund Bielefeld- Ost, kurz vor dem zweiten Corona- Lockdown. „Uns hat die Frage beschäftigt, was sich die Menschen wirklich zu Weihnachten von ihrer Kirche wünschen. Es geht doch da rum, die Krippe zu besuchen und dort die Frohe Botschaft zu hören – in besonderer Weihnachts atmosphäre.“ Gemeinsam wurde ein Grundgerüst für die sieben Kirchen erarbeitet, das individuell vor Ort angepasst wird. Das Konzept für den Nachmittag des Heiligen Abends sieht keine festen Gottesdienstzeiten vor, sondern die Kirchen sind zu einem Krippengang geöffnet. Es bezieht die Spannung ein „vom Hingehen zur Krippe und dem Hinausgehen in die Welt, dem neugeborenen Heiland im kleinen Krippenstall und der Menschwerdung Gottes mitten zwischen den Menschen in ihrer Lebenswelt“.
Verschiedene Stationen
Konkret sieht das bei der Liebfrauenkirche so aus: In der Zeit von 14.30 bis 18.30 Uhr gibt es draußen und drinnen verschiedene Stationen. Dabei bekommt jede Station eine Holztafel mit einem Zitat aus dem Weihnachtsevangelium nach Lukas, das sich auf die jeweilige Station bezieht. „Im Vorfeld haben wir unsere Gemeinde darauf hingewiesen, damit sich alle verteilen und nicht alle erscheinen, wenn es dunkel wird. Das Entzurren der Stoßzeiten ist wichtig“, so Eva- Maria Nolte.
An der ersten Station „Regis trierung und Volkszählung“ tragen die Krippenbesucher/- innen ihren Kontakt und ihre Ankunftszeit ein, die jeweils stündlich gebündelt werden. „Falls jemand gegen drei da war und später positiv getestet wird, können wir so nachvollziehen, wer gegebenenfalls Kontakt mit der Person hatte, ohne Menschen verrückt zu machen, die vielleicht erst gegen sechs Uhr da waren“, erklärt die Gemeindereferentin. „Grundsätzlich ist es einfach faszinierend, wie gerade die erste Station die Brücke zwischen der Corona- Lebensrealität mit dem Eintragen in Listen und dem Geschehen im Evangelium, bei dem sich die Menschen in Kaiser Augustus’ Steuerlisten eintragen mussten, deckt.“ An der zweiten Station auf dem Kirchplatz vor dem Hauptportal gibt es eine atmosphärische Einstimmung am Hirtenfeuer. „Draußen können die Menschen auch eventuell warten, bis sie nachrücken können“, so Eva-Maria Nolte. „Grundsätzlich hat jede Station eine verantwortliche Begleitperson, die auch die benachbarten Stationen im Blick hat.“
Es kann nur eintreten, wer sich klein macht
Bei der dritten Station treten die Besucher/-innen mitten in das Bethlehem- Geschehen ein. Und zwar durch eine verkleinerte Kirchentür. „Die Tür zur Geburtskirche, die auf einem Foto daneben zu sehen ist, ist so klein, dass nur eintreten kann, wer sich klein macht“, erklärt Nolte. „Für die Kinder haben wir auch eine kleine Tür, damit sie dieses ‚Kleinmachen‘ nachempfinden können.“
Die vierte Station lädt zur Betrachtung der Krippe ein, während kleine Passagen aus dem Weihnachtsevangelium vorgelesen werden. Solistisch vorgetragene Musikstücke sorgen für Stimmung, ohne zum Mitsingen einzuladen. An der fünften Station „beim Josef“ brennt das Friedenslicht aus Bethlehem, das nach Hause mitgenommen werden kann. Alternativ können die Besucher/-innen auch eine Kerze entzünden und dort mit ihrem Gebetsanliegen aufstellen. „Die DPSG- Pfadfinder der Liebfrauen- Gemeinde holen seit vielen Jahren das Friedenslicht von Dortmund nach Bielefeld und laden zur Aussendungsfeier des Friedenslichtes ein“, so Nolte.
Am Seitenausgang erhalten alle ein Segenswort und einen Weihnachtsgruß zum Mitnehmen. Jeder bekommt einen handgeschnittenen Stern, der „einfach zeigt, dass sich jemand bewusst Zeit genommen hat und niemand alleine ist. Und das ist doch die Hauptsache“.
Schmallenberg. Wie wird in diesem Jahr Weihnachten gefeiert? Diese Frage kam im Dekanat Hochsauerland- Mitte schon früh auf. „Im August gab es die ersten Ideen“, erinnert sich Christopher König, Dekanatsreferent für Jugend und Familie, „zugrunde lag der Wunsch, etwas für diejenigen zu tun, die nicht in die Kirche kommen können.“
Die Antwort auf die Eingangsfrage entstand im Pastoralverbund Eslohe- Schmallenberg und ist ein Karton – die „Christen- Kiste“. Sie enthält alles, damit Menschen das Fest zu Hause feiern können: Es befinden sich da rin kleine Anleitungen und Materialien für eine Andacht zu Hause und kleine Überraschungen, die besinnlich und nachdenklich machen können. Es gibt sie in drei Variationen, als Kinder- Kiste, die Kult- Kiste und Klassik- Kiste.
Echter Renner
Verkauft wurden die Kisten in den Pfarrbüros sowie über einen Online- Shop. Mit großem Erfolg, wie Gemeindereferent Manuel Kenter berichtet: „Schon bald zeichnete sich ab, dass die Idee aus Schmallenberg- Eslohe ein echter Renner ist!“
Gepackt wurden die Kisten von Ehrenamtlichen, die auch bei der Verteilung aktiv waren. Man konnte die Kisten auch für andere Menschen als Geschenk bestellen. „Ein weiterer positiver Effekt“, so der Dekanats referent: „Wenn jemand von auswärts zum Beispiel eine Kiste für die Mutter bestellt, wurde diese dann von jemand aus dem Team gebracht.“ Zusätzlich zur Überraschung gab es so auch noch einen kurzen Kontakt – natürlich unter Einhaltung der Corona- Bedingungen.
Finanziert wurde das Projekt vom Weihnachtsfonds des Erzbistums, pro Kiste fiel lediglich ein Kostenanteil von fünf Euro an. Dieses Geld wird an Adveniat weitergegeben. Das Hilfswerk rechnet in diesem Jahr wegen ausfallender Weihnachtskollekten mit einem erheblichen Spendenrückgang.