Namen sind Nachrichten

Jochen Klepper, der Verfasser so wunderbarer Lieder wie „Gott wohnt in einem Lichte“, nahm sich im Dezember 1942 das Leben. Mit ihm starben seine Frau und deren Tochter. Der letzte Eintrag seines Tagebuches lautet: „Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“ Kleppers Frau war jüdischer Herkunft und auch er selbst geriet zunehmend ins Visier des Nazi­regimes. Als klar wurde, dass eine Ausreise für die Familie nicht mehr möglich sein würde, sondern die Deportation offenbar unmittelbar bevorstand, gingen sie gemeinsam den letzten Schritt.

Thomas Mann hatte es noch rechtzeitig geschafft, Deutschland zu verlassen. 1938 siedelte er mit seiner Familie endgültig in die USA um. Als ihn, den Literaturnobelpreisträger, die Reporter dort empfingen und um eine Stellungnahme baten, sagte er einen legendären Satz: „­Where I am, is ­Germany. I carry my ­German ­culture in me.“ – Wo ich bin, ist Deutschland. Ich trage meine deutsche Kultur in mir. – Als sich in den frühen 1950er-­Jahren die Stimmung in den USA wandelte, kehrte Familie Mann nach Europa zurück und lebte fortan in der Schweiz. Thomas Mann bereiste Deutschland zwar immer wieder, aber er blieb in der Schweiz, wo er 1955 im Alter von 80 Jahren starb.

Billy Wilder ist nicht mehr nach Europa zurückgekommen. Der Filmregisseur, der so unsterbliche Komödien wie „Manche mögen’s heiß“ gedreht hat, war das Kind jüdischer Eltern. Als Jugendlicher lebte er zunächst in Wien, später zog es ihn nach Berlin, wo er unter anderem mit Erich Kästner zusammenarbeitete. Nach der sogenannten Macht­ergreifung 1933 zog er kurz nach Paris und bald darauf in die USA. In seine alte Heimat kam auch er wie Thomas Mann nur noch als Gast.

Debatte um den „Asyl-­Kompromiss“

An diese drei Geschichten sei angesichts der Debatte um den „Asyl-­Kompromiss“ erinnert. Das Thema ist hochkomplex, einfache Lösungen wohl kaum möglich. Aber eins darf doch auf einem Kontinent wie Europa, der immer so stolz auf seine Charta der Menschenrechte verweist, niemals vergessen werden: Es geht nicht um Zahlen, es geht um Menschen! Menschen wie Jochen Klepper, Thomas Mann oder Billy Wilder. Jeder Mensch, der sein Leben riskiert, um nach Europa zu kommen, will es letztlich retten.

In Kolumbien haben vier Kinder einen Flugzeugabsturz und eine Wanderung im Dschungel überlebt, die (ausgerechnet!) 40 Tage gedauert hat. Diese Kinder sind gerettet. Sie haben Namen, sie haben Gesichter, wir kennen ihre Geschichte. Die Welt ist gerührt. Die Kinder, die im Mittelmeer ertrinken, kennt von uns niemand. Wir wissen nicht einmal, wie viele es sind.

Ihre
Claudia Auffenberg

Weitere Texte von Claudia Auffenberg finden Sie hier

Schauen Sie doch mal in die aktuelle DOM-Ausgabe rein. Dort finden Sie eine Vielzahl an Berichten zur katholischen Kirche im Erzbistum Paderborn, deutschlandweit und auch weltweit. Es lohnt sich bestimmt.

0 Kommentare
Inline Feedbacks
Alle Kommentare anschauen