07.12.2016

„Nichtstun ist keine Option“

Polizeirat und Dezernatsleiter Markus Altenhöner (vorn, Mitte) und sein Stellvertreter, Polizeikommissar Martin Stroop, (vorn, rechts) trafen sich mit den Konferenzteilnehmern zu einem kurzen Gedankenaustausch. Foto: Wiedenhaus

Schloß Holte-Stukenbrock. Terroranschläge mit zahlreichen Opfern, Amokläufe aus heiterem Himmel: Die Sicherheitsbehörden müssen sich aktuell mit Szenarien auseinandersetzen, die vor Kurzem noch als eher „unwahrscheinlich“ galten. Die Anschläge in Paris vor gut einem Jahr und in München im Sommer haben gezeigt, dass es solche Situationen längst vom „Planspiel“ in die Realität geschafft haben. Die Frage, was das für den einzelnen Polizeibeamten bedeutet, stand im Mittelpunkt der diesjährigen Diözesankonferenz der Polizeiseelsorger im Landesamt für Aus- und Fortbildung der Polizei Nordrhein-Westfalen in Schloß Holte-Stukenbrock.

von Andreas Wiedenhaus

„Jeder Streifenbeamte kann heute völlig unvermittelt mit einer Lage konfrontiert werden, die ihn physisch und psychisch an seine Grenzen bringt“, beschrieb Polizeidekan Monsignore Wolfgang Bender zu Beginn des Treffens das Thema der Konferenz: ­Angriffe mit Kriegswaffen, menschliche Schutzschilde oder Kinder als Täter seien nur einige Beispiele für derartige Situationen und Eskalationsstufen, die für die Polizei neu seien. Bender: „Während früher das Eintreffen eines Sondereinsatzkommandos abgewartet werden konnte, müssen jetzt die als erste eintreffenden Beamten sofort handeln.“ Das bedeute, den oder die Täter zu bekämpfen und sich in unmittelbare Lebensgefahr zu begeben.

„Nichtstun ist keine Option“, fasste Bender die Lage für die Beamten zusammen und beschrieb damit gleichzeitig auch eine neue Aufgabenstellung für die Polizeiseelsorge: „Solche Szenarien werfen viele Fragen auf, auf die wir bei der Begleitung der Polizeibeamten reagieren müssen.“

Ein Aspekt, den Polizeipfarrer Johannes Gospos aus dem Bistum Münster in seinem Referat zum Thema aufgriff: „Bilder von verstümmelten Opfern nach Anschlägen wie in Paris brennen sich tief in die Psyche ein und traumatisieren unter Umständen auch Beamte, die einiges gewohnt sind.“ Selbstmordanschläge etwa konfrontierten Einsatzkräfte mit einem Täterprofil, das von herkömmlichen Strategien schlicht und einfach nicht erfasst werde: Mit einem Menschen, der mit dem Leben abgeschlossen habe, gebe es auch keine Basis für Verhandlungen mehr. Gospos: „Ihre Taten und Motive überfordern unsere Vorstellungskraft.“

Für einen Seelsorger sei die Begleitung in solchen Fällen eine wirkliche Herausforderung: „Derartige Erlebnisse können eine regelrechte Lebenswende darstellen.“ Entsprechend wichtig sei es, ansprechbar zu sein, Zeit zu haben und Hilfsmöglichkeiten aufzuzeigen. Johannes Gospos: „Unsere Rolle ist da eindeutig; das Wohl des einzelnen Polizisten steht ganz klar im Mittelpunkt, alles andere ist zweitrangig.“ Die Beamten wüssten das zu schätzen – nicht zuletzt dank der Schweigepflicht der Seelsorger.

Unabhängig von solchen Extremsituationen, machte Gospos deutlich, sei der „Routinedienst“ für Polizisten heute schon hart genug: „Die Beamten machen einiges mit!“

Der Punkt, dass Beamtinnen und Beamte großen Belastungen ausgesetzt sind – von Überstunden bis zu Behinderungen und Beleidigungen im Dienst –, spielte auch beim Erfahrungsaustausch der Seelsorger aus dem Erzbistum eine Rolle.

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