Ordensfrauen arbeiten an der Zukunft
Hausaufgabenbetreuung. Das Engagement der Schwestern ist gerade im Bildungsbereich sehr groß. Viele Kinder haben Eltern, die kaum lesen und schreiben können. Foto: Pohl
„Lernen ist Leben“: Im Blickpunkt seiner diesjährigen Pfingstaktion steht für das Osteuropa-Hilfswerk Renovabis die Bildungsarbeit. Damit greift man ein Thema auf, das im Bereich der Projektarbeit bereits seit der Gründung eine wichtige Rolle spielt. Unterstützt wird zum Beispiel das Engagement von Ordensschwestern in Ungarn.
von Achim Pohl
Die wuchtige Klosterruine der Prämonstratenser aus dem 13. Jahrhundert steht als Wahrzeichen über dem Städtchen Zsámbék (deutsch: Schambeck). Ein Relikt aus einer anderen Zeit – und doch ist die Ordensgemeinschaft der Prämonstratenserinnen an vielen Stellen präsent in diesem 5 000-Einwohner-Städtchen in der Nähe von Budapest. Schwester Katalin, die Priorin der Prämonstratenser in Zsámbék, hat einen langen Tag hinter sich: Sie und ihre zwei Mitschwestern leiten eine Berufsschule für 500 Jugendliche, eine Seifenmanufaktur, ein Altenheim sowie eine Behinderteneinrichtung. Überall musste sie nach dem Rechten sehen, tröstende oder ermahnende Worte finden und Entscheidungen treffen.
Am Abend ist sie mit ihrem Kleinwagen noch unterwegs ins Nachbardorf Mány, wo ein Drittel der Bevölkerung Roma sind und oft in desolaten Verhältnissen leben. Auf dem Weg hält sie bei der Familie Rolan. Krisztina, alleinerziehende Mutter von vier Kindern, begrüßt die Schwester herzlich am Eingang ihres Holzhäuschens am Rand der Straße. Krisztina arbeitet als Pflegerin im Altenheim, ihr 17-jähriger Sohn Gáspár macht eine Ausbildung zur Gastronomie-Fachkraft.
„Es ist eine Herausforderung, gemeinsam neue Wege für eine bessere Zukunft zu finden“, erklärt Schwester Katalin: „Viele leben von einem zum anderen Tag und planen nicht für die Zukunft. Krisztina musste lernen, mit Geld umzugehen, zwischendurch lebte sie mit ihren Kindern in einer Obdachlosenunterkunft.“
In Mány besucht Schwester Katalin die 78-jährige Lászlóné und bringt ihr Medikamente gegen ihre Diabetes. Außer ihrer Tochter, die sie gelegentlich besucht, kümmert sich niemand um sie. Umso mehr freut sie sich über den Besuch der Schwester. Die Dorfgemeinschaft in Mány ist zerstritten, den Grund weiß keiner genau. Vom Nachbarhaus wehen die Klänge einer Roma-Musikkapelle herüber.
Eine junge Mutter, kaum 20 Jahre alt, kommt vorbei und begrüßt Schwester Katalin mit einem Wangenkuss. „Petra hat bei uns eine Ausbildung zur Köchin gemacht, aber seit sie das Kind hat, arbeitet sie nicht mehr“, erklärt die Ordensfrau. „Die meisten bleiben zu Hause, bei drei Kindern gibt es immerhin 350 Euro Kindergeld vom Staat. Das ist eine ganze Menge; trotzdem würden wir es lieber sehen, wenn die Frauen auf eigenen Füßen stehen und vor allem nicht so früh Kinder bekommen. Die meisten Männer hier haben keine feste Arbeit. Sie sammeln Altmetall, viele fahren regelmäßig ins nahe Österreich, wenn dort Sperrmüll steht.“
Die Arbeit der Prämonstratenser-Schwestern trägt dennoch viele Früchte: Am nächsten Tag besucht Schwester Katalin den jungen Ádám, ebenfalls ein Rom, der nach einem Streit mit seinem Stiefvater bei seinem Onkel wohnt. In der Schlosserei der Schwestern steht er kurz vor dem Ende seiner Ausbildung und hat feste Pläne. „Die Ausbildung macht mir Spaß, ich liebe es, mit meinen Händen etwas zu schaffen“, erklärt Ádám selbstbewusst. „Vielleicht mache ich nach der Ausbildung noch das Abitur. Auf jeden Fall möchte ich in Zsámbék bleiben, als Handwerker habe ich hier gute Chancen.“
Chancen geben die Schwestern in Zsámbék eine Menge: Neben der Schlosserei betreiben sie eine Schreinerwerkstatt, Ausbildungen zum Sozialhelfer und in der Gastronomie stehen ebenfalls auf dem Programm.
Eine Berufsschule nach deutschem Vorbild ist angegliedert. Weiterhin haben die Schwestern ein Tagesheim für 6- bis 16-jährige Kinder gegründet, wo es ein warmes Mittagessen für 80 Kinder gibt und daneben Hausaufgabenbetreuung und Spiel und Spaß – das alles erfahren viele Kinder in Zsámbék hier zum ersten Mal in ihrem Leben.
Der 17-jährige Mihály ist ein weiteres Erfolgsbeispiel: Seine Mutter, die jetzt in der Schulküche arbeitet, besuchte vor 25 Jahren selbst die Tagesstätte, wie auch Mihály vor einiger Zeit. Jetzt geht er in die Schlosserlehre und will auf jeden Fall bei den Schwestern das Abitur machen. Sein Blick fällt auf die Ruine auf dem Hügel.
Mit fester Stimme erklärt er: „Ich und meine Familie verdanken den Schwestern so viel. Neulich haben wir in der Werkstatt die Kirchenbänke restauriert – für mich war das ein Stück Wiedergutmachung.“