Queere Menschen und die Kirche – ein Konfliktverhältnis
von Andreas Otto
Das Buch beginnt mit der Liebesgeschichte von Maria und Elisabeth – ausgerechnet am Hochaltar. Zwischen den beiden Ministrantinnen funkte es. In den Wochen und Monaten danach habe sie der Küster als „unsere treuste Messdienerin“ gelobt, schreibt Maria. „Und meine Mutter sagte: ‚Oh, oh, wenn der wüsste …'“ Damals habe sie den Einwand gar nicht verstanden. „Heute weiß ich, wie viel Kraft und Energie dafür eingesetzt wird, einen Platz für die Liebe zwischen Männern und Männern und Frauen und Frauen in der Kirche zu schaffen.“
Maria Fixemer, Jahrgang 1991, hat für das neu erschienene Buch „Katholisch und Queer“ den ersten Beitrag verfasst. Sie hat ihre wie weitere lesbische, schwule, gleichgeschlechtlich lebende, bisexuelle sowie trans, inter, nichtbinäre und andere queere Menschen ihre als verletzend empfundenen Erfahrungen mit der Kirche festgehalten. Ihr Fazit: „Ich verstehe diese Kirche, die irgendwie auch meine ist, oft nicht mehr in ihren winzigen Schritten und ihrer oft verletzenden und gefährlich selbstgerechten Haltung in der Frage, wer wen lieben darf.“
Im Bonifatius-Verlag erschienen – Ein Buch über queere Menschen
Das im Bonifatius-Verlag erschienene Buch ist im Zuge des katholischen Reformdialoges Synodaler Weg entstanden. Beim dortigen Forum zu Sexualität und Partnerschaft ist sich das herausgebende Trio Mirjam Gräve, Hendrik Johannemann und Mara Klein erstmals begegnet. Alle drei wurden aufgrund ihres Engagements gegen Diskriminierung queerer Menschen in der katholischen Kirche ins Synodalforum berufen. Im vergangenen Jahr starteten sie einen Aufruf an queere Menschen, ihre persönlichen Erfahrungen in der Kirche zu schildern. Mit den vielen Reaktionen sowie mit Statements aus Amtskirche, Theologie und Seelsorge füllten sie 304 Seiten.
Schon die Überschriften spiegeln die Erfahrungen von Ausgrenzung: „Ich fiel aus meiner Kirche in ein bodenloses Loch“ – „Ich musste meine Heimat verlassen“ – „Ich betete, dass Gott mich heterosexuell macht“ – „Die glauben, ich sei krank“ – „Die Kirche hat mit mir Schluss gemacht“ – und so weiter. Eine Mutter berichtet über ein Gespräch mit ihrem schwulen Sohn: Wie er denn regelmäßig die Messe besuchen könne, wo die Kirche doch ständig Homosexualität zur Sünde erkläre? Seine Antwort: Der Glaube sei größer als solche Diskussionen und betreffe „auch nicht alle kirchlichen Kreise gleichermaßen“.
Bischöfe wollen Reformen
Das Buch selbst ist ein Beweis für diese Aussage. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck und sein Dresdener Amtskollege Heinrich Timmerevers haben Gastbeiträge beigesteuert. Sie bekräftigen darin ihre Forderungen, dass die katholische Kirche ihre Sexualmoral weiterentwickeln müsse. Nach der Kirchenlehre ist das Ausleben von Sexualität nur in der Ehe von Mann und Frau erlaubt.
Timmerevers beschreibt, wie er sich 2019 mit Mitgliedern des Christlich-Schwul-LesBischen Stammtisches Dresden traf. Die Begegnung habe ihn fragen lassen, ob die Lehre der katholischen Kirche nicht neu bedacht werden müsse. Seine Antwort: Homosexuelle Partnerschaften, Transgender und Diversität seien aufgrund neuer Erkenntnisse der Sexualwissenschaft neu zu bewerten. Über Jahrhunderte habe die Kirche „Menschen falsch beurteilt“ und sie „de facto in ein Abseits gestellt“, sagt der Bischof. „Hier haben wir Unrecht begangen und sind auch schuldig geworden.“
Overbeck wendet sich gegen „das Festhalten an einer Sexualmoral, die zum Beispiel gleichgeschlechtlich liebenden Menschen die Möglichkeit einer gelingenden und erfüllenden Beziehung praktisch verwehren möchte“. Das sind ganz andere Töne als vor rund zehn Jahren in der ARD-Sendung „Anne Will“, in der er Homosexualität als Sünde bezeichnete. „Die Lebenserfahrungen und tiefen Empfindungen derer, die homosexuell oder transident sind, haben mich sehr berührt“, notiert Overbeck in dem neuen Buch. Das schlichte Wiederholen der Lehre der Kirche zu Homosexualität führe nur dazu, dass sich Menschen gekränkt von ihr abwenden. Maria Fixemer ist geblieben, denn „das alte Gefühl“ der Zugehörigkeit sei „trotzdem noch da“.