19.02.2016

Reduktion

Aus urheberrechtlichen Gründen können wir die Zeichnung von Monika Bartholomé hier nicht zeigen. Sie finden sie in der Printausgabe des DOM auf Seite 18 oder im Gotteslob auf Seite 373. Foto: Auffenberg

Fasten heißt verzichten, heißt sich reduzieren, möglichst auf das Wesentliche. Doch wann ist man an diesem Punkt angekommen? Das weiß man vorher nie, weil man die Trennlinie zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem gar nicht so scharf ziehen kann. Sicher ist aber, dass man dem Wesentlichen eher durch Weglassen näher kommt und seltener durch Hinzufügen.

Im Gotteslob ist auf Seite 373, also gegenüber der Liedummer 291, eine Tuschezeichnung der Kölner Künstlerin Monika Bartholomé zu sehen, die aus genau drei Linien besteht. Drei Linien, ziemlich reduziert, aber zeigen oder formen sie daher schon Wesentliches? Das Motiv bleibt in der Schwebe. Eindeutig ist nur: Die Zeichnung zeigt kein Kreuz, wobei man auf das Motiv Kreuz nur deshalb kommt, weil man auf das Lied nebenan geschielt hat, in dem es um das Kreuz auf Jesu Schulter geht. Wenn man diese Zeichnung im Katalog und nicht im Gotteslob sieht, dann hat sie mit einem Kreuz wirklich gar nichts zu tun.

Oder doch?

Monika Bartholomé hat ausdrücklich keine Lieder aus dem Gotteslob illustriert und schon gar nicht ging es ihr nach eigenen Worten darum, „gut bekannte Zeichen der Liturgie, also alte Erwartungen zu bedienen, sondern darum, neue offenere Zeichen zu finden, die eine gewisse Zeitlosigkeit ausstrahlen“.

Die Frage also ist: Was für ein Zeichen ist das? Wofür steht es? Es gibt eine Mittellinie, die eine Art Hauptrolle spielt. Sie steht in Beziehung zu den beiden anderen Linien, ohne sie zu berühren. Es gibt Nähe, aber keine Berührung. Man ist versucht, einen Gegenstand zu erkennen, so als sei das ein Rätsel, zu dem es eine richtige Lösung gäbe. Aber die gibt es nicht und es gelingt auch wirklich nicht, etwas Handgreifliches zu erkennen. Wenn man unbedingt beschreiben sollte, was man sieht, müsste man eher so etwas antworten wie: gebogen, gebeugt, geborgen, liegend, aufliegend, tragend, schwebend, stehend, sich aufrichtend, annähernd. Das sind schon zehn Begriffe für drei Linien und doch bleibt das Gefühl, man habe noch lange nicht erfasst, was man sieht oder spürt oder woran man denkt beim Anblick dieser Zeichnung. Es schimmert etwas Wesentliches durch, aber was ist es? Vermutlich etwas, für das es kein Wort gibt, sondern eben nur dieses Zeichen.

Wie anders, wie eindeutig wäre der Anblick eines Kreuzes, fast möchte man sagen: Wie fatal eindeutig wäre dieser Anblick. Denn man hätte den Eindruck, alles sei klar, dabei ist doch auch mit dem Kreuz überhaupt nicht alles klar.

Claudia Auffenberg

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