Schmerzensgeld – Gerichtsurteil schafft Klarheit

Nach dem Kölner Schmerzensgeld-­Urteil zu sexualisierter Gewalt in der Kirche bleiben die Bischöfe bei ihrem eigenen Zahlungssystem für Missbrauchsopfer. Die Betroffenenvertretungen hingegen ­fordern rasche Konsequenzen und die Überprüfung der Höhe der Zahlungen an Missbrauchsopfer.

Köln/Paderborn (KNA/KLEI). Das Kölner Landgericht hat entschieden, dass das Erzbistum Köln einem Missbrauchs­betroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen muss. Georg Menne (64) hatte von der Diözese 725 000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Der Richter hatte ausgeführt, Mennes Leben sei trotz des erlittenen Leides nicht zerstört, er habe geheiratet, Kinder bekommen und gearbeitet.

Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), der Aachener Bischof Helmut Dieser, äußerte sich nach dem Urteil gegenüber der „Kölnischen Rundschau“: Man halte „unverändert an dem niedrigschwelligen UKA-­Verfahren fest.“ Die UKA – die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen – entscheidet über die Höhe der Kirchenzahlungen an Betroffene. Viele von ihnen sind mit der Höhe nicht einverstanden und sehen sich durch das Kölner Gerichtsurteil bestärkt.

Immer eine Einzelfallprüfung

Mit Blick auf das Gerichtsverfahren sagte Dieser: „Jeder Betroffene hat das Recht, diesen Weg zu gehen. Es bleibt in jedem Fall eine Einzelfallprüfung, ob von dem Verzicht auf Einrede der Verjährung Gebrauch gemacht wird.“ Zugleich zeigte sich Dieser „froh, dass der Staat tätig wird und das Urteil Klarheit schafft“.

Noch sei offen, ob die Parteien Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen, betonte die UKA. Grundsätzlich sei jedoch davon auszugehen, dass die rechtskräftige Entscheidung über den Streit „Einfluss auf den finanziellen Zahlungsrahmen für Anerkennungsleistungen hat“. Die UKA zeigt sich auch offen für eine Prüfung der Zahlungen an Betroffene von Missbrauch.

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hatte sich dafür ausgesprochen, das System der kirchlichen Anerkennungszahlungen neu zu bedenken. Das Verfahren sei durch das Urteil aber nicht überflüssig geworden. Vor Gericht müssten Betroffene den Missbrauch konkret nachweisen, was oft nicht möglich sei. Beim UKA-­Verfahren reicht es, den Missbrauch plausibel darzustellen.

Juristisch nachvollziehbar

Auch der Sprecher des Betroffenenbeirates bei der DBK, Johannes Norpoth, hatte von der Kirche Konsequenzen gefordert. Das Gericht habe klar vorgegeben, dass die Kirche an Betroffene deutlich höhere Zahlungen leisten müsse als bisher. Dass das Gericht deutlich unter der Forderung des Klägers geblieben sei, sei aus Sicht eines Betroffenen „sehr schwer zu ertragen, wenngleich sicherlich juristisch nachvollziehbar“, sagte Norpoth. „Fakt ist aber: Es ist zur höchsten Schmerzensgeldzuweisung eines deutschen Gerichts im Kontext sexualisierter Gewalt in der Kirche gekommen.“

Auf eine Anfrage der Dom-­Redaktion antwortete die Pressestelle des Erzbistums Paderborn wie folgt: „Es handelt sich bei dem Verfahren in Köln um eine Einzelfallentscheidung – bezogen auf die besonderen Umstände dieses konkreten Falls. Es ist daher auf den jeweils konkreten Sachverhalt eines Verfahrens zu blicken und entsprechend zu entscheiden. Allgemeine Aussagen sind nicht möglich.“

Die Betroffenen-­Vertretung im Erzbistum Paderborn hingegen begrüßt die Entscheidung des Landgerichts Köln. „Erstmals hat nun ein deutsches Gericht geurteilt, dass einem Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs durch einen Priester eine Entschädigung in Form eines Schmerzensgeldes zuzusprechen ist. Dabei wird auch die institutionelle Verantwortung der Kirche für diese Verbrechen berücksichtigt“, sagt der Sprecher der Betroffenen-­Vertretung, Reinhold Harnisch. Er gehe davon aus, dass dieses Urteil als Signal für Tausende vergleichbarer Fälle in ­Deutschland gesehen werden könne.

Signal an die Kirche

Reinhold Harnisch, Sprecher der Betroffenen-­Vertretung im Erzbistum Paderborn, begrüßt die Entscheidung des Landgerichts Köln. (Foto: Patrick Kleibold)

Weiter antwortete Harnisch auf die Anfrage der Dom-­Redaktion: „Auch wir als Betroffenen-­Vertretung bestärken unsere Mitglieder darin, den Rechtsweg einzuschlagen. Zur Höhe der Entschädigung sei nur angemerkt, dass kein Betrag angemessen sein kann, das unerträgliche Leid, das Betroffene erfahren mussten, zu entschädigen. Gleichwohl ist dies ein erstes Signal an die katholische Kirche, die als zu niedrig empfundenen Anerkennungsleistungen zu überarbeiten. Da sich die Anerkennungsleistungen ja nach den straf- und zivil­rechtlichen Entschädigungszahlungen ausrichten sollen, ist hier mit dem Urteil ein deutliches Zeichen gesetzt, das erlittene Leid mit angemessenen Zahlungen zu entschädigen. Hier kommen durchaus auch höhere Entschädigungen infrage, als jetzt in Köln zugesprochen wurde. Grundsätzlich muss auch hier immer die Schwere des Falls und des persönlich erlittenen Leids die Bemessungsgrundlage sein.“

Allerdings sei längst nicht jeder Betroffene in der Lage, den weltlichen Klageweg zu gehen, da die Beweislast beim Kläger liege, sagte Norpoth: „Sie müssen die Dinge beweisen, müssen sich quasi komplett offenlegen“, so der Beiratssprecher. „Im Kölner Verfahren hatten wir das Glück, dass die Beklagtenseite, also das Erzbistum, die Vorgänge und Taten von ­vorneherein bestätigt hat.“ Auch habe die Kirche auf die Einrede der Verjährung verzichtet.

Ein solcher Prozess bedeute „eine enorme psychische Belastung“ für den Kläger, sagte Norpoth. „Und all die, die das nicht können, nicht mal im eigenen geschlossenen Raum können, für die wird das nie ein Weg sein, weil sie nicht in der Lage sind, ihre Rechte aufgrund der hohen psychischen Belastung geltend zu machen.“ Dagegen habe das kirchliche Anerkennungssystem den Vorteil, dass es auf diese Beweisführung verzichtet. Das Kölner Urteil müsse jetzt für die Bischofskonferenz und die unabhängige Kommission Anlass sein, ihre Spruchpraxis anzupassen, damit auch Menschen, die den Klageweg aufgrund erlittener Traumata nicht gehen können, auch Zahlungen erhalten können.

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