18.03.2016

Sieh, wohin ich dich führe

Foto: Peter Dahm

Kreuzzeichen kennt jeder. Sie sind auch älter als das Christentum. Sogar auf Wahlzetteln muss man sein Kreuz machen. Aber Christen haben sich für Anderes entschieden, als sie das Kreuz in den Kirchen aufrichteten. Selbstverständlich war das nicht und geschah auch erst nach einigen Jahrhunderten. Erinnert das Kreuz doch an den gewaltsamen Tod Jesu, in dem zugleich menschliche Gewalttätigkeit und Verblendung als auch die den Tod überwindende Liebe Gottes sichtbar wurde.

 

Das vier Meter hohe Kreuz in St. Maria zur Höhe in Soest, auch Hohnekirche genannt, verkündet seit fast achthundert Jahren eine Botschaft, in die Generationen von Christen ihren Glauben eingeschrieben haben. Ein großer Kreis umgibt das golden schimmernde Kreuz, aus dessen Balken Astwerk hervorwächst, das eine rubinrote Scheibe bedeckt. Die quadratisch erweiterten Enden der Kreuzbalken zeigen das Begräbnis, die Auferstehung, den Abstieg in die Unterwelt und die Himmelfahrt Christi. Der Korpus und zwei Assistenzfiguren sind im Laufe der Zeit verloren gegangen.

Vier Reliefscheiben neben den Kreuzarmen erzählen von der Ölbergszene, von der Gefangennahme Jesu, seiner Begegnung mit der Sünderin und dem Einzug in Jerusalem. Diese kleinen Scheiben sind wie Früchte vom Astwerk des Baumes umgeben. Zwei Engel mit Weihrauchfässern verehren den Gekreuzigten, der für die einen Ärgernis ist und Torheit für die anderen, für Glaubende, jedoch Gottes Macht bedeutet, wie Paulus verkündet (1Kor 1,23).

Die gesamte Darstellung stellt den Baum des Lebens in den Kreis des Kosmos. An den Kreuzbalken sind nämlich die Äste des Baumes noch zu erkennen, die an den Baum des Paradieses erinnern. Die Scheibe hinter dem Kreuz ist zugleich Baumkrone und Kosmossymbol. Tod und Auferstehung Jesu lassen die Welt gleichsam mit anderen Augen ansehen. Die Darstellung wirkte einst wie eine große Goldschmiedearbeit. Denn das Kiefernholz ist mit einer Silberfolie überzogen und mit transparentem, farbigen Lack bemalt, sodass eine sogenannte Lüsterfassung entsteht.

Die umlaufende lateinische Inschrift spricht den Betrachter mit folgendem Text an: „Sieh, was ich leide, damit du mir folgst, wohin ich dich führe. Ich wurde so gekreuzigt, damit du durch meinen Tod erlöst wirst.“

Ein solches Kunstwerk, das auf deutschem Boden einzigartig ist, will nicht nur als Werk der Kunst angesehen werden. Es will buchstäblich beeindrucken und das Leben ändern.Das vier Meter hohe Kreuz in St. Maria zur Höhe

 

von Prälat Theodor Ahrens

 

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