Stern von Betlehem?
Konjunktion von Jupiter und Saturn bedeutet, dass die beiden Planeten sich von der Erde aus betrachtet besonders nahe kommen. Das ist ein seltenes Phänomen. Foto: Md Rakesh Ahmed /Pixabay
Ein seltenes astronomisches Ereignis ist am kommenden Montagabend zu sehen: eine sogenannte Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn. Am südwestlichen Himmel kommen beide einander – freilich nur von der Erde aus betrachtet – so nah, dass sie wie ein Stern aussehen, der ziemlich hell wird. Ein solches Zusammentreffen gab es auch im Jahr 7 vor Christus, zu der Zeit also, zu der Jesus geboren worden sein könnte. Sehen wir also den Stern von Betlehem?
Andere Welt, andere Tradition
Nein, sagt Prof. Dr. Angelika Nagel- Strotmann von der Universität Paderborn. Sie ist Neutestamentlerin, keine Astronomin und doch in diesem Fall wohl die richtige Ansprechpartnerin. „Dass wir überhaupt so fragen, haben wir unserem naturwissenschaftlichen Weltbild zu verdanken“, sagt sie. Matthäus, der Verfasser der Geschichte von den Sterndeutern und dem Stern von Betlehem, lebte in einer anderen Welt, in einer anderen Tradition. Er hat so nicht gedacht. Und wenn man die Geschichte mal genau liest, kann man schon darauf kommen, dass er hier keine Himmelsbeobachtung beschreibt: Der Stern wandert eigentümlich hin und her und bleibt über dem Haus stehen, in dem Jesus geboren wurde. Wie kann ein Stern ein einziges Haus markieren? Also: „Astronomisch ist der Stern von Betlehem nicht zu erklären“, so Nagel- Strotmann. Und Matthäus benötigte auch keine himmlische Beobachtung, um sich zu dieser Erzählung inspirieren zu lassen.
Geht um Aussage
Ihm und dem Verfasser des Lukasevangeliums, der ebenfalls von der Kindheit Jesu erzählt, geht es um die Aussage: Dieser Jesus ist der neue und zugleich ein ganz anderer Herrscher, er ist der erwartete Nachfolger Davids. Beide Evangelisten künden allerdings diese Botschaft in verschiedenen Bildern, weil sie aus verschiedenen Traditionen kommen. Matthäus lebt ganz in der jüdischen Lehrtradition. Er – und seine Leser – kannten natürlich das Wort aus dem Buch Numeri, dem 4. Buch Mose, vom Stern, der in Jakob aufgeht, sie kannten die Psalmen, in denen von den Völkern und ihren Gaben für Israel die Rede ist.
Auch im alten Rom sah man übrigens den Stern als ein angemessenes Herrschersymbol. Die römischen Kaiser werden auf Münzen gern mit einem Stern dargestellt, für manche wurde im Nachhinein eine besondere Sternenkonstellation mit ihrer Geburt in Verbindung gebracht. Matthäus bringt nun beides zusammen: die jüdische und die römisch- griechische Tradition. Er erzählt von der Geburt Jesu so, dass die damaligen Leser und Hörerinnen sofort verstanden: Eine neue Zeit hat begonnen.
Angst und Verfolgungswahn
Eine historische Anspielung gibt es aber doch: Der matthäische Gegenspieler des neugeborenen Jesus ist Herodes, der verhasste König von Roms Gnaden, in den Augen seiner Landsleute ein illegitimer Herrscher. Er litt, so weiß man heute, unter Verfolgungswahn und panischer Angst vor Machtverlust. Er scheute nicht einmal davor zurück, in der eigenen Familie zu morden und seine Söhne umbringen zu lassen. Das könnte der Hintergrund für den Kindermord zu Betlehem sein, der so nicht historisch belegt ist. Na, wie würde so jemand reagieren, wenn der Himmel einen neuen Herrscher ankündigen sollte? Er bekommt Angst und wenn ein Potentat Angst hat, ist das auch für sein Umfeld ein Grund zum Fürchten. So schreibt Matthäus: „Als König Herodes das hörte, erschrak er und mit ihm ganz Jerusalem.“
Die Konjunktion am kommenden Montag ist also nur ein astronomisches Ereignis. Die Botschaft des Sterns von Betlehem ist unabhängig davon, was sich am Himmel tut, sagt Nagel- Strotmann. Sie lautet: Ein Kind ist geboren, ein Herrscher neuen Typs, eine neue Welt der Barmherzigkeit und Ungerechtigkeit ist möglich.